Heft 
(1958) 1
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Schon gellte die Glocke von neuem durch das Haus.

Zum Schockschwernot, wer störte ihn da am heiligen Sonnabend nach­mittag? Ärgerlich warf er die Tabakspfeife auf den Tisch.

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Mit Trari, Trara war vor dem Posthause eine vierspännige Extrapost vor­gefahren. Ihr entstiegen zwei distinguierte Reisende, ein älterer und ein jüngerer, sowie ein Bedienter. Die Zeit des Pferdewechsels hatten sie wie üblich benutzt, um in der Gaststube eine Erfrischung einzunehmen, indes der alte Wagenmeister Kalesche und Gepäck überwachte.

Aus den Pässen sah der Postexpedient, daß die Fremden Kaufleute waren, die von Berlin nach Hamburg reisten. Dem Auftreten nach mußte der jüngere, Koch mit Namen, als der maßgebende, und der Kaufmann Fischer, ein bereits angegrauter Herr, als sein Begleiter gelten.

Sie schienen erregt und unterhielten sich lebhaft. Vom Gespräch konnte man nichts verstehen, zumal es, als zwei ebenfalls mit Extrapost durch­reisenden Juden die Gaststube betraten, in ein Geflüster überging.

Bereits waren frische Pferde vor den Wagen der beiden Hamburger ge­spannt, als der Bediente den Auftrag erhielt, die Pferde wieder abzustellen. Während Fischer ein reichhaltiges Mittagessen aus dem benachbarten Gasthofe 2 ) holen ließ, warf sich Koch in seinen Pelz und verlangte, zu dem militärischen Kommandanten geführt zu werden.

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Vor Klitzing stand in einem mit violettem Sammet bezogenen Zobelpelz ein schlank aufgeschossener Kavalier, bartlos, mit kurz gehaltenem rot­blondem Kopfhaar. Die hageren sommersprossigen Gesichtszüge ließen sein Lebensalter schwerlich erraten.

In Schlafrock und Pantoffeln überrascht, nahm ihn der Hausherr in Empfang. In den ersten Worten des Fremden erkannte man den Ausländer, Im übrigen verhießen mangelhafte Sprachkenntnisse und Stockheiserkeit eine wenig erbauliche Konversation.

Um so erstaunter war Klitzing, als er aus dem Radebrechen entnahm, daß der Fremde um militärischen Schutz nachsuchte, weil er sich im Posthause nicht sicher fühle. Nicht nur, daß er seelisch erregt schien, sondern er mußte auch körperlich leidend sein.

Aus seinem Reisepaß legitimierte er sich als Kaufmann Koch und be­hauptete, daß er seit einiger Zeit von Agenten der französischen politischen Polizei verfolgt wurde. Anscheinend sei es nur einem Zufall zu verdanken, daß er bisher ihren Nachstellungen entgangen. Doch sei man ihm hart auf den Fersen. Er hatte Verfolger, die ihm bereits in Kyritz begegnet, soeben in der Post zu Perleberg gesehen. Da er politische Papiere von außer-

2)Zum weißen Schwan, Leger, heuteHoffmanns Hotel.

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