L'Adultera.
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Dich, und ich weiß nur nicht, ob es etwas sehr Gutes oder etwas sehr Schlimmes ist, was in Dir steckt . . . Aber nun komm. Unser Kaffee ist kalt geworden".
Und sie gab ihren Platz am Fenster auf, setzte sich wieder auf ihren hochlehnigen Stuhl und nahm Nadel und Cannevas und that ein paar rasche Stiche. Zugleich aber ließ sie kein Auge von ihm, denn sie wollte wissen, was in seiner Seele vorging.
Und er wollt' es ihr auch nicht länger verbergen. War er doch ohnehin, aller Freundschaft unerachtet, ohne Freund und Vertrauten, und so trieb es ihn, angesichts dieses Bildes, einmal aus sich herauszugehn.
„Ich habe Dich nie mit Eifersucht gequält, Lanni".
„Und ich habe Dir nie Veranlassung dazu gegeben".
„Nein. Aber heute roth und morgen todt. Das heißt, Alles wechselt im Leben. Und sieh, als wir letzten Sommer in Venedig waren, und ich dies Bild sah, da stand es auf einmal Alles deutlich vor mir. Und da war es denn auch, daß ich Salviati bat, mir das Bild copiren zu lassen. Ich will es vor Augen haben, so als Lleinsnto inori, wie die Capuziner, die sonst nicht mein Geschmack sind. Denn sieh, Lanni, auch in ihrer Furcht unterscheiden sich die Menschen. Da sind welche, die halten es mit dem Vogel Strauß und stecken den Kopf in den Sand und wollen nichts wissen. Aber andere haben eine Neigung, ihr Geschick immer vor sich zu sehen und sich mit ihm einzuleben. Sie wissen genau, den und den Tag sterb' ich. Und sie lassen sich einen Sarg machen und betrachten ihn fleißig, und die beständige Vorstellung des Todes nimmt auch dem Tode schließlich seine Schrecken, Und sieh, Lanni, so will ich es auch machen, und das Bild soll mir dazu helfen .... Denn es ist erblich in unserm Haus' . . . und so gewiß dieser Zeiger . . ."
„Aber Ezel" unterbrach ihn Melanie „was hast Du nur? Ich bitte Dich, wo soll das hinaus? Wenn Du die Dinge so siehst, so weiß ich nicht, warum Du mich nicht heut oder morgen einmauern läßt".
„An Dergleichen Hab' ich auch schon gedacht. Und ich bekenne „Melanie die Nonne" klänge nicht übel, und es ließe sich eine Ballade darauf machen. Aber es hilft zu nichts. Denn Du glaubst garnicht, was Liebende bei gutem Willen Alles durchsetzen. Und sie haben immer guten Willen".
„O, ich glaub es schon".
„Nun siehst Du" lachte Van der Straaten, den diese scherzhafte Wendung plötzlich wieder zu heiterer Laune stimmte. „So hör' ich Dich gern. Und zur Belohnung: Das Bild soll nicht an diesen Eckpfeiler, sondern in die Galerie. Verlaß Dich daraus. Und um Dir nichts zu verschweigen, ich Hab auch so selber meine wechselnden und widerstreitenden Gedanken, und mitunter denk' ich: ich sterbe vielleicht drüber hin. Und das wäre das Beste. Zeit gewonnen, alles gewonnen. Es ist nichts Neues. Aber die trivialsten Sätze sind immer die richtigsten".