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Theodor Fontane in Berlin.
Vor das Bild führte, sagte fetzt: „Nun Lanni, wie findest Du's? ... Ich will Dir übrigens zu Hilfe kommen .... Ein Tintoretto".
„Copie?"
„Freilich", stotterte Van der Straaten etwas verlegen. „Originale werden nicht hergegeben. Und würden auch meine Mittel übersteigen. Dennoch dächt' ich ..."
Melanie hatte mittlerweile die Hauptfiguren des Bildes mit ihrem Lorgnon gemustert und sagte jetzt: „Ah, l'^cllütsra! . . . Jetzt erkenn' ich's. Aber daß Du gerade das Wahlen mußtest! Es ist eigentlich ein gefährliches Bild, fast so gefährlich wie der Spruch . . . Wie heißt er doch?"
„Wer unter Euch ohne Sünde ist . . ."
„Richtig. Und ich kann mir nicht helfen, es liegt so was Ermutigendes darin. Und dieser Schelm von Tintoretto hat es auch ganz in diesem Sinne genommen. Sieh nur! . . . Geweint hat sie . . Gewiß . . Aber warum? Weil man ihr immer wieder und wieder gesagt hat, wie schlecht sie sei. Und nun glaubt sie's auch, oder will es wenigstens glauben. Aber ihr Herz wehrt sich dagegen und kann es nicht finden . . . Und daß ich Dir's gestehe, sie wirkt eigentlich rührend auf mich. Es ist so viel Unschuld in ihrer Schuld . . . Und Alles wie vorherbestimmt".
Melanie, während sie so sprach, war ernster geworden und von dem Bilde zurückgetreten. Nun aber fragte sie: „Hast Du schon einen Platz
dafür?"
„Ja, hier". Und er wies auf eine Wandstelle neben seinem Schreibpult.
„Ich dachte" fuhr Melanie fort „Du würdest es in die Galerie schicken. Und offen gestanden, es wird sich an diesem Pfeiler etwas sonderbar ausnehmen. Es wird . . . ."
„Unterbrich Dich nicht".
„Es wird den Witz herausfordern und die Bosheit, und ich höre schon Reiff und Duquede medisiren, vielleicht auf Deine Kosten und gewiß auf meine".
Van der Straaten hatte seinen Arm auf das Pult gelehnt und lächelte.
„Du lächelst, und sonst lachst Du doch, lachst mehr als gut ist und namentlich lauter als gut ist. Es steckt etwas dahinter. Sage, was Haft Du gegen mich? Ich weiß recht gut, Du bist nicht so harmlos, wie Du Dich stellst. Und ich weiß auch, daß es wunderliche Gemüthlichkeiten giebt. Ich Hab 'mal von einem russischen Fürsten gelesen, ich glaube Suboff war sein Name. Eigentlich waren es zwei, zwei Brüder. Die spielten Karten und dann ermordeten sie den Kaiser Paul und dann spielten sie wieder Karten. Ich glaube beinah, Du konntest auch so 'was! Und alles mit gutem Gewissen und gutem Schlaf".
„Also darum König Ezel!" lachte Van der Straaten.
„O nein. Nicht darum. Als ich Dich so hieß, war ich noch ein halbes Kind. Und ich kannte Dich damals noch nicht. Jetzt aber kenne ich