L'Ad ultera.
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Ausfahrt eine Viertelstunde warten zu wollen, weil er ihr zuvor eine Mittheilung zu machen habe. Melanie ließ zurücksagen, „daß sie sich freuen würde, ihn zu sehen und rechne danach aus seine Begleitung".
In Courtoisien dieser Art, denen allerdings gelegentlich auch der Revers nicht fehlte, hatten sich die Van der Straatens seit Jahren eingelebt, namentlich er, der nach seiner eignen Versicherung „dem adligen Hause de Caparoux einiges Ritterdienstliche schuldig zu sein glaubte" und zu diesem Ritterdienstlichen in erster Reihe Pünktlichkeit und Nichtwartenlassen zählte.
So erschien er denn auch heute, bald nach erfolgter Anmeldung, im Zimmer seiner Frau.
Dieses Zimmer entsprach in seinen räumlichen Verhältnissen ganz dem ihres Gatten, war aber um vieles Heller und heiterer, einmal weil die hohe Paneelirung, aber mehr noch weil die vielen nachgedunkelten Bilder fehlten. Statt dieser vielen, war nur ein einziges da: das Portrait Melanies in ganzer Figur, ein wogendes Kornfeld im Hintergrund und sie selber eben beschäftigt ein paar Mohnblumen an ihren Hut zu stecken. Die Wände, wo sie frei waren, zeigten eine Weiße Seidentapete, tief in den Fensternischen erhoben sich Hyazinthen-Estraden und vor einer derselben, auf einem zierlichen Marmortische, stand ein blitzblankes Bauer, drin ein grauer Kakadu, der eigentliche Tyrann des Hauses, sein von der Dienerschaft gleichmäßig gehaßtes und beneidetes Dasein führte. Melanie sprach eben mit ihm, als Ezechiel in einer gewissen humoristischen Aufgeregtheit eintrat und seine Frau, nach vorgängiger respektvoller Verneigung gegen den Kakadu, bis an ihren Sopha- platz zurückführte. Dann schob er einen Fauteuil heran und setzte sich neben sie.
Die Feierlichkeit, mit der all dies geschah, machte Melanie lachen.
„Ist es doch, als ob Du Dich auf eine ganz besondere Beichte vorzubereiten hättest. Ich will es Dir aber leicht machen. Ist es etwas Altes? Etwas aus Deiner dunklen Vergangenheit . . .?"
„Nein, Lanni, es ist etwas Gegenwärtiges".
„Nun, da will ich doch abwarten und mich zu keinem Generalpardon Hinreißen lassen. Und nun sage, was ist es?"
„Eine Bagatelle".
„Was Deine Verlegenheit bestreitet".
„Und doch eine Bagatelle. Wir werden einen Besuch empfangen, oder vielmehr einen Gast, oder wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, einen Dauer-Gast. Also kurz und gut, denn was Hilst es, es muß heraus: einen neuen Hausgenossen".
Melanie, die bis dahin ein Chocoladenbiscuit, das noch auf dem Teller lag, zerkrümelt hatte, legte jetzt ihren Zeigefinger aus Van der Straatens Hand und sagte: „Und das nennst Du eine Bagatelle? Du weißt recht
gut, daß es etwas sehr Ernsthaftes ist. Ich habe nicht den Vorzug, ein Kind dieser Euerer Stadt zu sein, bin aber doch lange genug in Euerer