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Theodor Fontane in Berlin.
bevorzugten Mitte gewesen, um zu wissen, was es mit einem „Logirbesuch" auf sich hat. Schon das Wort, das sich sonst nirgends findet, kann einen ängstlich machen. Und was ist ein Logirbesuch gegen eine neue Hausgenossen- schast. . . Ist es eine Dame?"
„Nein, ein Herr".
„Ein Herr. Ich bitte Dich, Ezel. ..."
„Ein Volontair, ältester Sohn eines mir befreundeten Frankfurter Hauses. War in Paris und London, das ist selbstverständlich, und kommt eben jetzt von New-Pork, um hier am Ort eine Filiale zu begründen. Vorher aber will er in unserem Hause die Sitte dieses Landes kennen lernen, oder sag' ich lieber wieder kennen lernen, weil er sie draußen halb vergessen hat. Es ist ein besonderer Vertrauensakt. Ich bin überdies dem Vater verpflichtet und bitte Dich herzlich, mir eine Verlegenheit ersparen zu wollen. Ich denke, wir geben ihm die zwei leer stehenden Zimmer auf dem linken Corridor".
„Und zwingen ihn also, einen Sommer lang auf die Fliesen unseres Hofes und aus Christels Geraniumtöpfe hinunter zu sehen".
„Es kann nicht die Rede davon sein, mehr zu geben als man hat. Und er selbst wird es am wenigsten erwarten. Alle Personen, die viel in der Welt umher waren, Pflegen am gleichgiltigsten gegen derlei Dinge zu sein. Unser Hof bietet freilich nicht viel; aber was hält' er Besseres in der Front? Ein Stück Kirchengitter mit Fliederbusch, und an Markttagen die Hasenbude".
„Mi bisn, Ezel. Uaisoim Is jsu. Ich hoffe, daß nichts Schlimmes dahinter lauert, keine Conspirationen, keine Pläne, die Du mir verschweigst. Denn Du bist eine versteckte Natur. Und wenn es Deine Geheimnisse nicht stört, so möcht' ich schließlich wenigstens den Namen unseres neuen Hausgenossen hören".
„Ebeuezer Rubehn ..."
„Ebenezer Rubehn", wiederholte Melanie langsam und jede Silbe betonend. „Ich bekenne Dir offen, daß mir etwas Christlich-Germanisches lieber gewesen wäre. Viel lieber. Als ob wir an Deinem Ezechiel nicht schon gerade genug hätten! Und nun Ebenezer. Ebenezer Rubehn! Ich bitte Dich, was soll dieser ^oesrck §ravs, dieser Ton auf der letzten Silbe? Suspekt, im höchsten Grade suspekt!"
„Du mußt wissen, er schreibt sich mit einem h".
„Mit einem h! Du wirst doch nicht verlangen, daß ich dies h für ächt und ursprünglich nehmen soll? Einschiebsel, versuchte Leugnung des Tatsächlichen, absichtliche Verschleierung, hinter der ich nichts desto weniger alle zwölf Söhne Jacobs stehen sehe. Und er selber als Flügelmann".
„Und doch irrst Du, Lanni. Wie stand es denn mit Rubens? Ich meine mit dem großen Peter Paul? Nun, der hatte freilich ein s. Aber was dem s recht ist, ist dem h billig. Und kurz und gut , er ist getauft. Ob durch einen Bischof, stehe dahin, ich weiß es nicht und wünsch' es nicht,