L'Adultera.
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denn ich möchte etwas vor ihm voraus haben. Aber allen Ernstes, Du thnst ihm Unrecht. Er ist nicht blos christlich, er ist auch protestantisch, so gut wie Du und ich. Und wenn Du noch zweifelst, so lasse Dich durch den Augenschein überzeugen".
Und hierbei versuchte Van der Straaten aus einem kleinen gelben Couvert, das er schon bereit hielt, eine Visitenkarten-Photographie herauszunehmen. Aber Melanie litt es nicht und sagte nur in immer wachsender Heiterkeit: „Sagtest Du nicht New-Iork? Sagtest Du nicht London? Ich
war auf einen Gentleman gefaßt, aus einen Mann von Welt, und nun schickt er sein Bildniß, als ob es sich um ein Rendezvous handelte. Krugs Garten, mit einer Verlobung im Hintergrund".
„Und doch ist er unschuldig, Glaube mir. Ich wollte sicher gehen, um Deinetwillen sicher gehen, und deshalb schrieb ich an den alten Goeschen, Firma Goeschen Goldschmidt und Co., discreter alter Herr. Und daher stammt es. Ich bin Schuld, nicht er, wahr und wahrhaftig, und wenn Tu mir das Wort gestattest, sogar „auf Ehre".
Melanie nahm das Couvert und warf einen flüchtigen Blick auf das eingeschlossene Bild. Ihre Züge veränderten sich plötzlich und sie sagte: „Ah, der gefällt mir. Er hat etwas Distinguirtes: Offizier in Civil oder Gesandtschafts-Attache! Das lieb' ich. Und nun gar ein Bändchen. Ist es' die Ehrenlegion?"
„Nein, Du kannst es näher suchen. Er stand bei den fünften Dragonern und hat für Chartres und Poupry das Kreuz empfangen".
„Ist das eine Schlacht von Deiner Erfindung?"
„Nein. Dergleichen kommt vor, und als freie Schweizerin solltest Du wissen, daß fremde Sprachen nicht immer gebührende Rücksicht auf die verpönten Klangformen einer anderen nehmen. Ja, Lanni, ich bin mitunter besser als mein Ruf".
„Und wann dürfen wir unseren neuen Hausfreund erwarten?"
„Hausgenossen", verbesserte Van der Straaten. „Es ist nicht nöthig, ihn, mit Rücksicht auf seine militairische Charge, so Hals über Kopf avan- ciren zu lassen. Uebrigens ist er verlobt, oder so gut wie verlobt".
„Schade".
„Schade? Warum?"
„Weil Verlobte meistens langweilig sind. Sind sie beisammen, so sind sie zärtlich, bedrückend zärtlich für ihre Umgebung, und sind sie getrennt, so schreiben sie sich Briefe oder bereiten sich in ihrem Gemüthe daraus vor. Und der Bräutigam ist immer der schlimmere von beiden, und wenn man sich gar in ihn verlieben will, so heißt das nicht mehr und nicht weniger, als zwei Lebenskreise stören".
„Zwei?"
„Ja, Bräutigam und Braut"-
„Ich hätte drei, gezählt" lachte Van der Straaten. „Aber so seid ihr. Ich wette Du hast den Dritten in Gnaden vergessen. Ehemänner zählen