Heft 
(1880) 39
Seite
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L'Adultera.

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und hielt, wie jeder dieses Standes, an dem Glauben fest, daß es in der ganzen Welt nicht zwei so grundverschiedene Farben gäbe, wie das allgemeine preußische Militair-Roth und das Generalstabs-Roth. Daß er den Strebern zugehörte, war eine selbstverständliche Sache, wohl aber verdient es, in Rücksicht gegen den Ernst der Historie, schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden, daß er, alles Streberthums unerachtet, in allen nicht zu verlockenden Fällen, ein bescheidenes Maß von Rücksichtsnahme gelten ließ und den Kampf ums Dasein nicht absolut als einen liebergang über die Beresina betrachtete. Wie sein großer Chef war er ein Schweiger, unterschied sich aber von ihm durch ein beständiges, jeden Sprecher ermutigendes Lächeln, das er, alle nutzlose Parteinahme klug ver­meidend, über Gerechte und Ungerechte gleichmäßig scheinen ließ.

Gryczinski, wie schon angedeutet, war mehr Verwandter als Freund des Hauses. Unter diesen konnte der Baron Duquede, Legationsrath a. D., als der angesehenste gelten. Er war über sechzig, hatte bereits unter Van der Straatens Vater dem damals ausgedehnteren Kreise des Hauses angehört und durfte sich, neben anderen Qualitäten, auch schon um seiner Jahre willen, seinem hervorstechendsten Charakterzuge, dem des Absprechens, Ver- kleinerns und Verneinens ungehindert hingeben. Daß er, in Folge davon, den BeinamenHerr Negationsrath" erhalten hatte, hatte selbstverständlich seine milzsüchtige Krakehlerei nicht zu bessern vermocht. Er empörte sich eigentlich über alles, am meisten über Bismarck, von dem er seit anno 66, dem Jahre seiner eigenen Dienstentlassung, unaufhörlich versichertedaß er überschätzt werde". Von einer beinah gleichen Empörung war er gegen das zum Französiren geneigte Berlinerthum erfüllt, das ihn, um seinesgrw willen, als einen Colonie-Franzosen ansah und seinen altmärkischen Adels­namen nach der Analogie von Admiral Duquesne auszusprechen pflegte. Was er sich gefallen lassen könne" hatte Melanie hingeworsen, von welchem Tag' an eine stille Gegnerschaft zwischen beiden herrschte.

Dem Legationsrath an Jahren und Ansehn am nächsten stand Polizei­rath Reiff, ein kleiner behäbiger Herr mit rothen und glänzenden Backen­knochen, auch Feinschmecker und Geschichtenerzähler, der, so lange die Damen bei Tische waren, kein Wasser trüben zu können schien, im Moment ihres Verschwindens aber in Anekdoten excellirte, wie sie, nach Zahl und Inhalt, immer nur einem Polizeirath zu Gebote stehn. Selbst Van der Straaten, dessen Talente doch nach derselben Seite hin lagen, erging sich dann in lautem und mitunter selbst stürmischem Beifall, oder zwinkerte seinen zwei Tischnachbarn seine neidlose Bewunderung zu.

Diese zwei Tischnachbarn waren in der Regel zwei Maler: der Land­schafter Arnold.Gabler, ebenfalls, wie Reiff und der Legationsrath, ein Erbstück aus des Vaters Tagen her, und Elimar Schulze, Porträt- und Genremaler, der sich erst in den letzten Jahren angefunden hatte. Seine