Heft 
(1880) 39
Seite
312
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Theodor Fontane in Berlin.

Zugehörigkeit zu der vorgeschilderten Tafelrunde basirte zumeist auf dem Umstande, daß er nur ein halber Maler, zur andern Hälfte aber Musiker und enthusiastischer Wagnerianer war, auf welchenTitul" hin, wie Van der Straaten sich ausdrückte, Melanie seine Aufnahme betrieben und durch­gesetzt hatte. Die bei dieser Gelegenheit abgegebene Bemerkung ihres Ehe­herrndaß er gegen den Aufzunehmenden nichts einzuwenden habe, wenn er einfach übertreten und seine Zugehörigkeit zu der alleinseligmachenden Musik offen und ehrlich aussprechen wolle", war von dem immer gut gelärmten Elimar mit der Bitte beantwortet wordenihm diesen Schritt erlassen zu wollen und zwar um so mehr, als doch schließlich uur das Gegentheil von dem Gewünschten dabei herauskommen würde. Denn während er jetzt als Maler allgemein für einen Musiker gehalten werde, werd' er als Musiker sicherlich für einen Maler gehalten und dadurch zum Aerger des Herrn Commercienraths wieder in eine relativ höhere Rangstufe hinaufgehoben werden".

Diesem Verwandten- und Freundeskreise waren die zu heute sieben Uhr Geladenen entnommen. Denn Van der Straaten liebte die Spät-Diners und erging sich mitunter in nicht üblen Bemerkungen über den gewaltigen Unter­schied zwischen einer um vier Uhr künstlich hergestellten, und einer um sieben Uhr natürlich erwachsenen Dunkelheit. Eine künstliche Vier-Uhr-Dunkelheit sei nicht besser als ein junger Wein, den man in einen Rauchfang gehängt und mit Spinnweb umwickelt babe, um ihn alt und ehrwürdig erscheinen zu lassen. Aber eine seine Zunge schmecke den jungen Wein und ein feines Nervensystem schmecke die junge Dunkelheit heraus. Bemerkungen, die nament­lich in ihrerdas feine Nervensystem" betonenden Schlußwendnng, von Melanie regelmäßig mit einem allerherzlichsten Lachen begleitet wurden.

Das Van der Straateu'sche Stadthaus wodurch es sich, neben anderem, von der mit allem Comfort ausgestatteten Thiergarten-Villa unterschied hatte keinen eigentlichen Speisesaal, und die zwei großen und vier kleinen Diners, die sich über den Winter hin vertheilten, mußten in dem ersten, als Entree dienenden Zimmer der großen Gemäldegalerie gegeben werden. Es griff dieser Theil der Galerie noch aus dem rechten Seitenflügel in das Vorderhaus über, und lag unmittelbar hinter Melanies Zimmer, ans dem denn auch, sobald die breiten Flügelthüren sich öffneten, der Eintritt stattfand.

Und wie gewöhnlich, so auch heute. Van der Straaten nahm den Arm seiner blonden Schwägerin, Duquede den Melanies, während die vier anderen Herren paarweise folgten, eine herkömmliche Form des Aufmarsches, bei der der Major eben so geschickt zwischen den beiden Malern zu wechseln, als den Polizeirath zu vermeiden wußte. Denn so bereit und ergeben er war, die Geschichten Reiffs bei Tag oder Nacht über sich ergehen zu lassen, so konnte er sich doch nicht entschließen, ihm ebenbürtig den Arm zu bieten. Er stand vielmehr ganz in den Anschauungen seines Standes und bekannte sich, mit