32H - Theodor Fontane in Berlin. -
kein Adelsname. Ich habe mich darum gekümmert und nachgeschlagen. Und im Vertrauen, Reiff, es giebt gar keine de Caparoux".
„Aber bedenken Sie doch den Major! Er hat alle Sorten Stolz und wird sich doch schwerlich eine Mesalliance nachsagen lassen wollen".
„Ich kenn ihn besser. Er ist ein Streber. Oder sagen wir einfach, er ist ein Generalstäbler. Ich hasse die ganze Gesellschaft, und glauben Sie mir, Reiff, ich weiß warum. Unsre Generalstäbler werden überschätzt, kolossal überschätzt".
„Ich weiß doch nicht, ob Sie Recht haben", ließ sich der Polizeirath
ein drittes Mal vernehmen. „Bedenken Sie blos, was Stoffel gesagt hat.
Und nachher kam es auch so. Aber ich will nur von Gryczinski sprechen.
Wie liebenswürdig benahm er sich heute wieder! Wie liebenswürdig und
wie vornehm".
„Ah, bah, vornehm. Ich bilde mir auch ein zu wissen, was vornehm ist. Und ich sage Ihnen, Reifs, Vornehmheit ist anders. Vornehm! Ein Schlaukopf ist er und weiter nichts. Oder glauben Sie, daß er die kleine Rothblondine mit den ewigen Schmachtaugen geheirathet hat, weil sie Caparoux hieß, oder meinetwegen auch de Caparoux? Er hat sie geheirathet, weil sie die Schwester ihrer Schwester ist. Du himmlischer Vater, daß ich einem Polizeirath solche Lection halten muß".
Der Polizeirath, dessen Schwachheiten nach der erotischen Seite hin lagen, las aus diesen andeutenden Worten ein Liebesverhältniß zwischen dem Major und Melanie heraus und sah den langen hagren Duquede von der Seite her betroffen an.
Dieser aber lachte und sagte: „Nicht so, Reiff, nicht so! Carriöre-
macher sind immer nur Courmacher. Nichts weiter. Es giebt heuzutage Personen (und auch das verdanken wir unsrem großen Reichsbaumeister, der die soliden Werkleute fallen läßt oder bei Seite schiebt) es giebt, sag ich, heutzutage Personen, denen alles Mittel zum Zweck ist. Auch die Liebe. Und zu diesen Personen gehört auch unser Freund der Major. Ich hätte nicht sagen sollen, er hat die Kleine geheirathet, weil sie die Schwester ihrer Schwester ist, sondern weil sie die Schwägerin ihres Schwagers ist. Er braucht diesen Schwager, und ich sag Ihnen, Reifs, denn ich kenne den Ton und die Strömung oben, es giebt Weniges was nach oben hin so empfiehlt wie das. Ein Schwager-Commercienrath ist nicht viel weniger Werth, als ein Schwiegervater-Commerzienrath und rangirt wenigstens gleich dahinter. Unter allen Umständen aber sind Commercienräthe wie consolidirte Fonds, aus die jeden Augenblick gezogen werden kann. Es ist immer Deckung da".
„Sie wollen also sagen ..."
„Ich will garnichts sagen, Reifs . . . Ich meine nur so".
Und damit waren sie bis an die Bendlerstraße gekommen, wo beide sich trennten. Reiff ging aus die Bon der Heydt-Brücke zu, während Duquede seinen Weg in gerader Richtung fortsetzte.