Heft 
(1880) 39
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Theodor Fontane in Berlin.

bevorzugten Stellung entsprach es denn auch, daß sie jeden zweiten Osterseiertag durch Van der Straaten in Person befragt wurden, ob sie sich entschließen könnten, seiner Frau während der Sommermonate draußen in der Villa Gesellschaft zu leisten, eine Frage, die jedesmal mit einer Verbeugung und einem freundlichenja" beantwortet wurde. Aber doch nicht zu freundlich, denn man wollte nicht verrathen, daß die Frage erwartet war.

Und beide Damen waren auch in diesem Jahre, wie herkömmlich, als Uauros ä'irouusur installirt worden, hatten den Umzug mitgemacht, und erschienen jeden Morgen auf der Veranda, um gegen neun Uhr mit den Kindern das erste und um zwölf mit Melanie das zweite Frühstück zu nehmen.

Auch heute wieder.

Es mochte schon gegen eins fein und das Frühstück war beendet. Aber der Tisch noch nicht abgedeckt. Ein leiser Luftzug, der ging und sich verstärkte, weil alle Thüren und Fenster offen standen, bewegte das rothgemusterte Tisch­tuch und von dem am andern Ende des Corridors gelegenen Musikzimmer her hörte man ein Stück der Cramer'schen Clavierschule, dessen mangelhaften Tact in Ordnung" zu bringen, Fräulein Anastasia Schmidt sich anstrengte. Eins zwei, eins zwei". Aber Niemand achtete dieser Anstrengungen, am wenigsten Melanie, die neben Fräulein Riekchen, wie man sie gewöhnlich hieß, in einem Gartenstuhle saß und dann und wann von ihrer Handarbeit aufsah, um das reizende Parkbild unmittelbar um sie her, trotzdem sie jeden kleinsten Zug darin kannte, auf sich wirken zu lassen.

Es war selbstverständlich die schönste Stelle der ganzen Anlage. Denn von hundert Gästen, die kamen, begnügten sich ueuuundneunzig damit, den Park von hier aus zu betrachten und zu beurtheilen. Am Ende des Haupt- ganges, zwischen den eben ergrünenden Bäumen hin, sah man das Zittern und Flimmern des vorüber ziehenden Stromes, aus der Mitte der überall eingestreutcn Rasenflächen aber erhoben sich Aloen und Bosgnets und Glas­kugeln und Bassins. Eines der kleineren plätscherte, während auf der Ein­fassung des großen ein Pfauhahn saß und die Mittagssonne mit seinem Gefieder einzusaugen schien. Tauben und Perlhühner waren bis in unmittel­bare Nähe der Veranda gekommen, von der aus Riekchen ihnen eben Krumen streute.

Du gewöhnst sie zu sehr an diesen Platz" sagte Melanie.Und wir werden einen Krieg mit Van der Straaten haben".

Ich secht ihn schon aus", entgegnete die Kleine.

Ja, Du darfst es Dir wenigstens Zutrauen. Und wirklich, Riekchen, ich könnte jaloux werden, so sehr bevorzugt er Dich. Ich glaube, Du bist der' einzige Mensch, der ihm alles sagen darf, und so viel ich weiß, ist er noch nie heftig gegen Dich geworden. Ob ihm Dein alter Adel imponirt? Sage mir Deinen vollen Namen und Titel. Ich hör' es so gern und vergeß es immer wieder".