Heft 
(1897) 12
Seite
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Ueber Land und Weer.

elektrischen Lichtes gearbeitet, und ganze Eisenbahnzüge von Stückgütern werden mittels elektrisch betriebener Kranen und Winden in den Riesenleib des hoch aus dem Wasser ragenden Transportdampfers versenkt, bis alles richtig geordnet und verstaut ist und das Schiff sich mehr und mehr bis zur Wasserlinie senkt. Wie viel tausend Flaschen deutschen Exportbieres für unsre Schisse und Besatzungs­truppen nach Kiautschou mitgegangen sind, wir wollen es nicht verraten; man würde sonst zu trügerischen Schlüssen auf die veränderte Lebensweise unsrer Landsleute im fernen Osten gelangen. Auch lebendes Geflügel wird, soweit der Raum am Deck für die Käfige reicht, aus denen langhälsige Gänse, Enten und Hühner ihre Köpfe stecken, für die Reise­verpflegung der Kajütpassagiere, der Offiziere, Aerzte und Ingenieure mitgenommen. Den Schluß bilden die Mann­schaften selbst. Mit klingendem Spiele werden die ein­zelnen Abteilungen an Bord geführt, wo jeder sein Regal für den die Habseligkeiten eines deutschen Matrosen bergenden Kleidersack und dieBackskiste" und einen Platz für seine Hängematte angewiesen erhält.

Kurz vor Abgang des Dampfers begiebt sich der Chef der Marinestation der Nordsee, Vize-Admiral Karcher, an Bord und hält an die Besatzung eine Ansprache, die nach herzlichen Worten des Abschiedes und Wünschen für eine glückliche Reise mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm II. und einem dreimaligen kernigen Hurra schließt. Jetzt scheint der Bann der Äb- schiedsstimmung, die doch bei manchem zum Durchbruch ge­kommen sein mag, gebrochen zu sein, und der Humor verschafft sich neue Wege. Ueberall, wo nur Platz ist, verteilen sich die Leute, auf den Promenadendecks, hinten auf der Campagne, vorn auf der hohen Back, in den Booten, in den Wanten hängen sie so dicht, daß diese schier unter ihrer ungewohnten Last zu brechen scheinen, und selbst in dem Ausguck, dem sogenannten Krähennest, haben einige es sich bequem gemacht, um von ihrem luftigen Sitz herab Abschiedsgrüße zu senden. Zu Tausenden umsteht eine bunte Menschenmenge das scheidende Schiff, das sich inzwischen der Schleuse nähert. Manch herzliches Abschiedswort und auch manch derber Scherz wird ausgetauscht. Das Musik­corps spielt lustige Marschweisen, und das gemütvolle Volkslied:Muß i denn, muß i denn zum Stabile hinaus" wird von tausend Kehlen angestimmt. Es ist ein fröhliches Abschiednehmen, und das Bewußtsein, mit Tausenden das gleiche ehrenvolle Los zu teilen, verwischt jede trübe Stimmung.

Die Schleusenthore öffnen sich; langsam setzt sich der Transportdampfer in Bewegung, und Hurra und wieder Hurra ertönt es von Bord und Land durch den sonnigen Maimdrgen, als die Reede unter Tücher- und Mützen- schwenken von hüben und drüben erreicht wird. Noch lange folgen unsre Blicke dem Schisse, das so viel junges deutsches Element dem fernen Osten zuführt, bis nur noch eine dunkle Rauchwolke seinen westlichen Kurs andeutet.

Bernhard Dciminghoff.

Ar MMM im MO der MWMiMli.

Von

Ingenieur Z3. Aermirighoff.

VA^ie Idee der Verwendung von Luftballons im Kriege ist fast so alt wie die Erfindung selbst, obwohl kaum ein ernstlicher Versuch zur Ausführung vor dem französischen Nevolutiouskriege 1794 gemacht worden ist. Ein junger Franzose, Coutelle, hat den Ballon zuerst in die französische Armee eingeführt. Bald nach- dem Beginn der Feindseligkeiten suchte er General

Jourdan in Maubeuge aus und erlangte nach vielen Schwierigkeiten eine Unterredung mit ihm. Jourdan er­mutigte den jungen Mann zu weiteren Versuchen und forderte ihn zum Bericht darüber auf. Die Hauptbestrebungen gingen dahin, eine möglichst vorteilhafte Methode in der Uebermittlung von Mitteilungen vom Ballon aus zur Erde ausfindig zu machen. Diese bestand zunächst darin, be­schriebene Zettel oder Skizzen in kleine Beutel einzuschließen und diese zur Erde fallen zu lassen. Jourdan fand, daß die Ballons von großem Vorteil seien, und veranlaßt die Beförderung des Erfinders znm Kapitän und die Bildung einer Compagnie unter der BezeichnungIw8 ^ercwkierL", die ans einem Lieutenant, einem Unterlieutenant, mehreren Unteroffizieren und dreißig Mannschaften bestand. Die Lei­tung dieser Compagnie wurde dem Erfinder übertragen.

Coutelle machte in feinem Ballon vor der Schlacht von Fleurus zwei Rekognoscierungen der feindlichen Stellung und wurde sogar beim ersten Aufstieg von seinem Protektor, dem General Jourdan, begleitet. Die auf diesem Wege erlangten Nachrichten erwiesen sich als außerordentlich wert­voll, und der Sieg der Franzosen über die Oesterreicher ist in vieler Hinsicht auf die Nachrichten zurückzusühren, die der Kapitän der Luftschiffercompagnie feinem General über­mittelte. Der benutzte Ballon war mit Wasserstoffgas gefüllt.

Während des Krieges wurde eine Verbesserung in der Methode der Uebermittelung vom Ballon aus getroffen. Das Schriftstück oder die Zeichnung wurde an einem pfeil­artigen Stocke befestigt und von einem Bogen nach der Erde zu abgeschossen. Um dies pfeilartige Geschoß mög­lichst sichtbar zu machen, wurde an feinem oberen Ende ein Stück farbiger Seide befestigt. Die Skizzen über die Stellung des Feindes wurden in verschiedenen Farben aus­geführt, deren Bedeutung nur den Franzosen bekannt war. Die Ballons wurden während der ganzen Campagne benutzt, und nach Beendigung der Feindseligkeiten wurde Coutelle mil seinem Freunde Conte beauftragt, eine Vallonschule in Meudon zu bilden. Conto führte bald ein sichtbares Signal­system ein, das auf dem Gebrauch farbiger Flaggen basiert und natürlich die Verwendung der Fesselballons voraussetzt.

Kriegsballons wurden ebenfalls mit gutem Erfolge bei der Belagerung von Ehrenbreitstein benutzt, und es würde den Belagerern ohne dieses Mittel kaum möglich gewesen sein, diese auf einem hohen und isoliert gelegenen Felsen angelegte Festung zu rekognoscieren.

Napoleon Bonaparte organisierte ein Balloncorps, das ihn auf seinem zweiten Feldzuge nach Aegypten begleiten sollte. Die Wagen, dis den ganzen Luftschifferapparat ent­hielten, fielen jedoch in die Hände der Engländer, und es kam daher das napoleonische Balloucorps, das Conto be­fehligte, gar nicht zur Geltung. Während des Restes dieses Feldzuges dienten die Aeronauten mit ihren Künsten lediglich zum Amüsement der Soldaten und eingeborenen Aegypter, und man darf sich deshalb nicht wundern, daß Napoleon den Ballonskeine strategische Bedeutung" bei­legte. Eine Folge hiervon war, daß die Ballonschule in Meudon nach Beendigung des Feldzuges geschlossen wurde.

Fesselballons wurden außerdem im Jahre 1815 von Carnot während der Belagerung von Antwerpen zu Re- kognoscierungszwecken benutzt. Die Idee, Explosivkörper von den Ballons aus auf den Feind zu schleudern, datiert aus dem Jahre 1812, als die Oesterreicher Venedig be­lagerten. Die Belagerer befestigten Geschosse an einer Anzahl kleiner Ballons. Die Zünder wurden vor dem Aufstieg angesteckt, und die Geschosse sollten nach der Be­rechnung der Ingenieure über der Stadt explodieren. Die österreichischen Aeronauten scheinen aber die Wirkung der Windrichtung gänzlich unberücksichtigt gelassen zu haben, denn die Geschosse krepierten über den Linien der Oesterreicher selbst und verursachten große Verluste.