Heft 
(1897) 12
Seite
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Zur Statistik des Arauenstudiums.

noch keine von den zwanzig deutschen Universitäten statuiert die Immatrikulation für Frauen, und eine nicht unbedeutende Zahl wir kommen weiter unten darauf zurück lehnt noch die Zulassung zu den Vorlesungen überhaupt ab. Also alle in Deutschland studierenden Frauen sind nur Hospi- tantinnen, nicht Studentinnen. Solange aber die Im­matrikulation nicht durchgesetzt ist, wird auch die schon vor etwa zwei Jahren in Aussicht gestellte Zulassung zu den Staatsprüfungen nicht verwirklicht werden. Noch vor kurzem ist mir ein Fall bekannt geworden, in dem eine durchaus qualifizierte Dame trotz der Erfüllung aller Vorbedingungen zur Staatsprüfung nicht zugelassen wurde. Noch immer ist ferner die medizinische Fakultät in Berlin auch den­jenigen Damen, die die Maturitätsprüfung bestanden haben, so gut wie verschlossen, da sie zu den unentbehrlichen ana­tomischen Studien nicht zugelassen werden. Man meint, daß die Herren Professoren Waldeyer und von Bergmann sich gegen die Zulassung sträuben. Nun will allerdings Herr Professor Benda einen Präparier- und Sezierkursus für Damen an der Berliner Universität übernehmen, der in einem besonderen Raume abgehalten werden soll; aber so sehr auch dies freundliche Anerbieten zu begrüßen ist, so muß doch als das erstrebenswerte Ziel der gemeinsame Unterricht vorschweben, weil sonst immer wieder die Studien der Frauen als nicht gleichwertig erachtet werden würden.

In jedem Falle war es ein unerträglicher Zustand, daß die jungen Berliner Damen, die ihre Studien an den von Fräulein Helene Lange in Berlin geleiteten Gymnasial- kurseu mit der gut bestandenen Maturitätsprüfung ab­geschlossen hatten, zum Studium der Medizin nach Halle übersiedeln, also das Elternhaus verlassen mußten. Für solche schweren Uebelstände ist in absehbarer Zeit noch keinerlei Abhilfe zu erhoffen, da die parlamentarischen Kreise in dieser wichtigen Frage eine schwer begreifliche Gleichgültig­keit an den Tag legen und die passendsten Gelegenheiten vorübergehen lassen, auf eine durchgehende Erleichterung des Frauenstudiums hinzuwirken. Auf die freundliche Anregung des Prinzen zu Schönaich-Carolath ließ sich der Staats­sekretär Graf von Posadowski kürzlich inr Parlament über das Frauenstudium und die demselben gemachten Konzessionen ziemlich eingehend aus, aber trotz der kulanten Form, die er beobachtete, glückte es ihm doch nicht, die ernsten Schwierig­keiten zu verbergen, mit denen die studierenden Frauen heute noch immer zu kämpfen haben. Denn in: Grunde steht es noch immer wie früher: die Damen können studieren unter zwei Bedingungen. Der Rektor der Universität und der Kurator derselben müssen mit ihrem gastweisen Besuch der Hochschule einverstanden sein. Ist die Zustimmung dieser beiden Instanzen vorhanden, so fehlt immer noch ein drittes: das Recht, auf Grund des Hospitantenscheins nun auch wirklich die Kollegien besuchen zu können. Dieses Recht kann aber nur erlangt werden durch die Genehmigung des einzelnen Dozenten. Versagt dieser oder jener Dozent den Zutritt zu seiner Vorlesung, so ist die eingeholte Ge­nehmigung des Rektors und des Kurators völlig illusorisch und der Hospitantenschein ein wertloses Stück Papier. Hier liegt der Springpunkt der ganzen Frage, hier muß Wandel geschaffen werden. Wenn Rektor und Kurator die Genehmigung zum Besuch der Kollegien erteilt haben, so muß die studierende Dame dem jeweiligen Belieben des Dozenten entzogen sein; sie muß frei wählen dürfen nach ihren Neigungen und Bedürfnissen, und der Dozent muß auf Grund des erteilten Hospitantenscheins stillschweigend seine Einwilligung zum Besuch seiner Vorlesung erteilen; die persönliche Vorstellung darf nur eine Sache der höf­lichen Form sein.

Wir sprechen hier nur von den reichsdeutschen Ver­hältnissen, wollen aber doch ganz beiläufig bemerken, daß . die Dinge in dem uns verbündeten Nachbarstaat Oesterreich

auf diesem Gebiete bereits eine viel günstigere Gestalt ge­wonnen haben. Ji: Wien werden die Damen unbehindert zu allen Vorlesungen und zu den Doktorpromotionen zn- gelassen. Die erste Promotion einer Dame fand dort am 2. April 1897 statt. Diese hatte die medizinische Staats­prüfung glänzend bestanden, und der Akt ging daher mit besonderer Feierlichkeit vor sich. Ich kann es mir nicht versagen, die Ansprache, die der Rektor der Universität, Professor vr. Reinisch, bei dieser Gelegenheit an die Dame hielt, als ein charakteristisches Zeugnis einer vorurteilsfreien Auffassung der Frauenbildnng in ihren: wesentliche:: Teile herzusetzen. Professor Reinisch sagte:Die heutige Pro­motionsfeier gewinnt für unsre Hochschule eine ganz be­sondere Bedeutung. Seit dem Bestehen unsrer altehrwürdigen Ums. macker wird heute zun: ersten Male einer Dame das Doktorat verliehen. Ich beglückwünsche Sie, meine hochverehrte Kandidatin, deshalb auf das herzlichste und zolle Ihnen meine achtungsvolle Anerkennung. Ich be­glückwünsche Sie als mutige, siegreiche Vorkämpfern: um die Erweiterung der Frauenrechte. Möge inan über diese

Frage denken, wie man will, so viel wird jeder frei Urteilende und frei Denkende zugestehen müssen, daß durch die Er­weiterung des Gesichtskreises der Frauen auch das gesamte Volk auf ein höheres intellektuelles und moralisches Niveau emporgehoben wird. Da Frauen an Intelligenz und Willenskraft nicht den Männern nachstehen, so ist nicht einzusehen, weshalb den Frauen höhere Jntelligenzkreise verschlossen bleiben sollen..."

Wenn wir diese Dinge hier eingehend zur Sprache bringen, so dürfen wir eines weithin hallenden Echos sicher sein, da sowohl an die Redaktion vonlieber Land und Meer" verschiedene dahin gehende Anfragen und Anträge ergangen sind, als auch der Verfasser dieser Aufsätze mehr­fach private Auskünfte auf Fragen hat erteilen müssen, die von ernsten: und eingehendem Interesse zeugen. Aus diesem Grunde haben wir hier die wesentlichsten Gesichtspunkte zusammengefaßt und zugleich auf die Schwierigkeiten hin­gewiesen, die unsern studierenden Töchtern noch immer ent­gegenstehen, und die sich unschwer beseitigen ließen, wenn die Reichsgesetzgebung hier die bessernde Hand anlegen wollte!

Wir haben oben gesagt, daß so manche Erleichterungen eingetreten sind, daß auch in Berlin die Verhältnisse im einzelnen sich günstiger gestaltet haben. Man geht wohl nicht fehl, wenn dieser leichte Umschwung zum Besseren auf die Initiative des jetzigen Rektors, Herrn Professors Schmoller, zurückgeführt wird. So hat sich denn naturgemäß die Zahl der studierenden Damei: in Berlin seit, den: vorigen Wintersemester wesentlich erhöht. Im Winter 189697 studierten in Berlin 95 Damen, im Winter 189798 bereits 162, von denen die weitaus größte Mehr­zahl sich auf die mannigfachen Gebiete der philosophischen Fakultät verteilt; die Theologie und Jurisprudenz hat je drei Hörerinnen, die Medizin nur eine. Der Grund dieser befremdlichen Erscheinung wurde obei: dargelegt. Während in den ersten Zeiten der Zulassung von Damen in Berlin die Ausländerinnen ein unverhältnismäßig hohes Kontingent stellten, überwiegt jetzt sehr stark das Deutschtum. Unter den 162 Damen sind 98 Deutsche, 26 Amerikanerinnen, 23 Russinnen, 2 aus Frankreich und je eine aus der Schweiz, Holland, Finnland, Ungarn und Bulgarien. Die Damen haben eine akademische Vereinigung gegründet, die sich jeden zweiten Mittwoch im Monat zu Vorträgen und geselliger Unterhaltung zusammenfindet; sie haben zu diesen Abenden auch bereits die Professoren eingeladen und freund­liche Zusagen erhalten. Aus den Vereinsberichtei: geht hervor, daß die Damen auch kommentmäßig ihren Sala­mander reiben eineBegleiterscheinung", an die man sich doch erst gewöhnen muß. Die Vereinigung besteht seit