1. Die Abstammung.
oder nicht, auf jeden Fall schadet es der Familie. Auch dann, wenn keine Rücksicht auf den Schatten genommen wird, den die Krankheit auf die Nachkommen werfen könnte, will die Liebe alles zum Guten wenden und weist den Gedanken ab, bei einem Angehörigen könnte es nicht ganz richtig gewesen sein. Somit findet unsere wissenschaftliche Neugier in vielen Fällen mehr oder weniger geschlossene Thüren, und man darf sich nicht wundern, wenn das Vorausgesetzte nur unvollständig nachgewiesen werden kann. Das Gesagte soll nur ganz im Allgemeinen gelten.
Im Falle Nietzsches haben wir uns zunächst an die Aussagen der Schwester in der Biographie zu halten. Danach scheint es, als ob Nietzsche aus ganz gesunden Familien‘) stammte, und wir finden hier für die pathologischen Züge, die sein Bild von vornherein trägt, keine Erklärung. Aber es gehen Gerüchte um, die den Angaben der Schwester widersprechen. Ein mir bekannter Herr hat dem Vormunde Nietzsches, dem Rechtsanwalte Dächsel in Sangerhausen, im Herbste 1867 von den literarischen Erfolgen seines Mündels erzählt, und der Vormund hat erwidert, diese Frühreife erfreue ihn nicht, denn er kenne die Familie zu genau und müsse fürchten, Nietzsche werde einmal im Irrenhause enden. Diese und ähnliche Aeusserungen werden mündlich fortgepflanzt, die Meinungen sind getheilt, und Niemand weiss recht, was er von der Sache
') In der„Zukunft“ vom 9. Januar 1900 sagt Frau Dr. Förster sogar:„wir stammen von väterlicher und mütterlicher Seite aus kerngesunden Familien.“