Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
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I. Der ursprüngliche Nietzsche.

zu halten habe. Soweit wie ich bis jetzt urtheilen kann, scheint mir die Wahrheit zwischen der allzu optimistischen Auffassung der Schwester und der allzu pessimistischen Auffassung des Vormundes zu liegen.

Unbestritten ist, dass Nietzsches Vater an einer Gehirnkrankheit gestorben ist, und es scheint, als ob die anders als die Schwester Urtheilenden daraus zu­nächst die erbliche Belastung ableiten möchten. Diese Meinung wird wohl dadurch gefördert worden sein, dass sich Nietzsche selbst wegen der Gehirnkrankheit des Vaters für bedroht gehalten hat. Er hat z. B. im August 1887 zu P. Deussen gesagt:Ich glaube, dass es nicht mehr lange mit mir dauern wird, ich bin jetzt in den Jahren, in welchen mein Vater starb und ich fühle, dass ich demselben Leiden erliegen werde wie er. Schon 1876 schreibt er an seinen Freund v. Gersdorff: Mein Vater starb 36 Jahre alt an Gehirnentzündung, es ist möglich, dass es bei mir noch schneller geht. An einer anderen Stelle(Biographie II, p. 327) hat er sein Kopfleiden alsjene schlimme Erbschaft von Seiten meines Vaters bezeichnet. Nietzsche geht hier(und an anderen Stellen) von dem Glauben aus, jedes Ge­hirnleiden sei vererbbar, einem Glauben, dem wir viel­fach begegnen. Jedoch scheint es sich bei Nietzsches Vater um eine Gehirngeschwulst gehandelt zu haben, und man kann nicht sagen, dass durch eine solche die Nachkommenschaft bedroht wäre. Frau Dr. Förster hat die Güte gehabt, mir den Unfall, an den sich die tödtliche Krankheit des Pastor Nietzsche anschloss,