Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
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I. Der ursprüngliche Nietzsche.

haft gemacht. Wenn man von einem Schriftsteller­Triebe reden darf, so hatte Nietzsche ihn. Während des Krimkrieges schreibt das Kindein Spielbuch mit siebzehn neuen von ihm ausgedachten Spielen; vier­zehn davon beschäftigen sich ausschliesslich mit den Kämpfen und einer möglichen Eroberung von Sebasto­pol. Mit dreizehn Jahren schreibt Nietzsche seine erste Biographie, und während der ganzen Jugendzeit verfasst er immer aufs Neue biographische Aufzeich­nungen. Dieser Trieb, zu schreiben, beherrschte Nietzsches ganzes Leben, ja er wurde zur Leiden­schaft, vermöge deren in zwanzig Jahren trotz aller Krankheit eine ganz erstaunliche Menge von Nieder­schriften entstand. Das Dichterische im engeren Sinne wurde nach der Knabenzeit durch die philologischen und philosophischen Studien zurückgedrängt, aber die Flamme erlosch nie ganz und zur Zarathustra-Zeit lo­derte sie wieder hell auf. Jedoch war Nietzsches poetisches Talent beschränkt. Die dramatische Art war ihm ganz fremd, wie man an den unglücklichen Empedokles-Versuchen sieht; es fehlte wohl überhaupt die gestaltbildende Kraft. Es handelte sich bei Nietzsche hauptsächlich um den sprachlichen Ausdruck von Stimmungen und um das Auffinden von Vergleichen; einige lyrische Gedichte sind ihm vortrefflich gelungen,)

1) Auch Ziegler sagt sehr richtig, man finde unter Nietzsches Liedern wahre Perlen. Er weist aber darauf hin, dass die poeti­sche Kraft rasch erlahme, dass nicht selten der spätere Theil des Gedichtes abfalle:die Töne werden rasch grell, einzelnes klingt geradezu burlesk, barock und bizarr...; weil es nicht ohne Ge­