Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
57
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2. Die Persönlichkeit.

Ein Anderer wird mir sagen: Du scheinst vom milieu nichts zu wissen; der Mensch ist das, was ihn umgiebt, und Nietzsches Eigenart hing von den Ein­flüssen ab, die auf ihn wirkten. Nun, ich leugne die Bedeutung der individuellen Erlebnisse nicht, aber sie machen den Menschen nicht, und nicht die Art, wie er reagirt, sondern der Inhalt seiner Aeusserungen ist zum Theile ihr Werk. Bei Nietzsche haben wir in der Kindheit vorwiegend weibliche Einflüsse: Mutter, Schwe­ster, Grossmutter, Tanten, Mägde. Man hat zuweilen von Nietzsches Feminismus gesprochen und hat damit gemeint, dass er als Schriftsteller mehr negativ als po­sitiv sei, mehr auf die Meinungen Anderer reagire, als dass er aus sich heraus neue Ansätze gäbe. Daran dürften die Damen des Nietzschischen Hauses ganz unschuldig sein. Eher könnte man denken, dass auf ihre Einwirkung das höfische Wesen, das Nietzsche als Mensch gezeigt haben soll, zurückzuführen sei. Der Vater war Erzieher bei Hofe gewesen, die Mutter wird als eine feine tactvolle Frau geschildert, also mö­gen gute Manieren in der Familie zu Hause gewesen sein. In dieser Richtung wirkte wohl auch das gesell­schaftliche Wesen des an Räthen und Geheimräthen reichen Naumburg. Als Freunde hatte Nietzsche gute und geweckte Jungen, in der Schule wurde er gut be­handelt, die Fürstenschule hatte einen streng huma­nistisch-christlichen Charakter. Als Student machte er durch kurze Zeit das studentische Treiben mit, zog sich bald zurück und war dann der Mann, der er im Ganzen immer war. Aus alledem ist blutwenig zu