Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
58
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I. Der ursprüngliche Nietzsche.

schliessen, und auch die Milieu-Fanatiker müssen ein­sehen, dass an der fremdartigen Erscheinung Nietzsches die harmlose Welt, in der er sich entwickelt hat, wenig Theil hatte. Vielleicht das lässt sich durch seinen Lehr­gang erklären, dass Nietzsche sein Leben lang mit Schulmeisteraugen auf die Welt gesehen hat. Zwar findet er zuweilen sehr gute Worte gegen den Ratio­nalismus.Eine Umwandlung des Wesens durch Er­kenntnis ist der gemeine Irrthum des Rationalismus, schreibt er an Deussen(l. c., p. 72), aber er war doch ein eingefleischter Rationalist. Es ist sein Grundirrthum, dass man den Menschen durch Reden ändern, den Künstler, den Philosophen machen könne. Am Ende ist der Zarathustra auch nichts als ein alter Schul­meister, der über den Berg läuft und Reden hält. Aber das gehört schon nicht mehr zum Wesen. Was er dachte freilich, das musste an das Gehörte und Ge­lesene anknüpfen. Da haben wir die bürgerlichen und die patriotischen Anschauungen, die Christenlehre, die antike Literatur, alte und romantische Musik, allerhand deutsche Dichter, dann als Sauerteig die theologische Kritik und die Philosophie Schopenhauers. Des grossen Philosophen Gedanken haben den grössten und den nachhaltigsten Einfluss auf Nietzsches Denken gehabt. Zuerst wollte er sein Jünger sein, versuchte es sogar mit Askese, dann hielt ihn die Persönlichkeit gefesselt, endlich wurde erNeinsager, und bis zum Schlusse bildet die Verneinung Schopenhauerischer Gedanken einen Haupttheil seiner Philosophie. Die Metaphysik Schopenhauers nahm er nie recht an, ja er hat das