I. Der ursprüngliche Nietzsche.
Auf eins möchte ich hier noch aufmerksam machen, weil es das Pathologische seiner Natur beleuchtet, nämlich auf die Vorliebe Nietzsches für bestimmte Schriftsteller und Musiker. Les nerveux se recherchent, sagte Charcot, und Die, die Nietzsche geliebt hat, sind ohne Ausnahme kranke Leute, Ich sage: geliebt, nicht gelesen oder studirt. Da haben wir von den Musikern Schumann und Wagner; beide waren alles andere, nur nicht gesund. Viel Krankhaftes ist ja auch in Schopenhauer. Nun aber die Dichter: In der Jugend schwärmt er für Hölderlin, später bevorzugt er Ausländer: Stendhal, Flaubert, Dostojewsky, Baudelaire.*‘) Er erkennt in ihnen ganz richtig„den Fond von Krankheit, von Unheilbarkeit im Wesen“— trotzdem. Seine Liebe zu Pascal betont er oft. Dagegen Voltaire lobt er, liest ihn aber nicht. Goethe hat er gelesen und oft gerühmt, aber seine Neigung ist kühl. Shakespeare war ihm geradezu unangenehm, und Schiller, den er in der Jugend gelobt, aber wohl nicht viel gelesen hatte, wurde ihm ein Gegenstand des Hohnes.
Zu den Milieu-Fragen steht die Schlussbetrachtung in Beziehung. Es ist bekannt, dass nicht selten zu ungefähr gleicher Zeit von verschiedenen Leuten an verschiedenen Orten gleiche oder ähnliche Gedanken geäussert werden, ohne dass man sagen könnte, der Eine habe sie vom Anderen. Zuweilen könnte man versucht sein, einen geheimnissvollen Zusammenhang anzunehmen, derart, dass hier der innere Zusammen
1) Vgl.„Zukunft“ vom 18. März 1890.
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