2. Die Persönlichkeit.
hang der Individuen durch einen umfassenden Geist, ihr Organ-Sein zu Tage träte, und dass dieselben Krankheitäusserungen bei scheinbar nicht verknüpften Individuen auf einen krankhaften Zustand des Gesammtgeistes hindeuteten. Indessen kann man sich wohl mit der einfacheren Erklärung begnügen, dass auch die krankhaften Aeusserungen immer nach demselben Schema verlaufen, und dass deshalb gewisse Grundgedanken bei Entarteten immer zu ähnlichen Folgen führen müssen. Mit anderen Worten: die ein Zeitalter beherrschenden Ideen geben der jeweiligen Entartung ihre bestimmte Färbung. Deshalb haben die schriftstellernden Degeneres heutzutage eine gewisse Aehnlichkeit mit einander, ohne dass sie einander zu kennen brauchen; man bezeichnet diesen Charakter gewöhnlich als Modernität. Das Taedium vitae,„der grosse Ekel“, wie eine Lieblingsphrase Nietzsches lautet, ist wohl jeder Zeit bei Entarteten zu beobachten gewesen, aber bei den Modernen giebt der dem Zeitalter eigene irreligiöse Individualismus dem Lebensüberdrusse einen besonderen Charakter: das Individuum lehnt sich gegen die Welt auf, hasst und verspottet das, was für gut gilt, erwärmt sich für das Böse und ehrt das, was für verwerflich gilt. Kann sein, dass früher auch ähnliches vorgekommen ist, aber da hiess es: Kopf ab, während man jetzt jede Frechheit ungescheut aussprechen darf. Jener streitbare Lebensüberdruss führt zum Beispiele zur Verherrlichung der Verbrecher, er erblickt in ihnen Kämpfer gegen die schlechte Welt und hegt gewöhnU alberne Einbildung, sie seien besonders ge
