Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
62
Einzelbild herunterladen

I. Der ursprüngliche Nietzsche.

sunde kraftvolle Gestalten. Er führt zu klingenden Reden über die Schlechtigkeiten der bestehenden Ord­nungen, über die Nothwendigkeit, alles zu ändern, und so weiter. Er führt zur Absonderung von der Heerde, die gerade wegen ihres Vergnügtseins als verächtlich erscheint, zu einer eigenthümlichen Art aristokratischer Ueberhebung, zu Werthschätzung alles dessen, was zart, hinfällig, ein wenig verfault ist, zur Ueberschä­tzung der Kunst und der schönen Form überhaupt. Es kommt, kurz gesagt, zu einem aristokratischen Anar­chismus. Jetzt ist man vielfach zu dem Glauben ge­neigt, Nietzsche habe diesen erfunden, und die anderen Entarteten seien erst von Nietzsche angesteckt worden. Aber in Wirklichkeit findet man bei Leuten, die nie von Nietzsche gehört haben, Aussprüche und Wen­dungen, die von Nietzsche entlehnt zu sein scheinen. Verschiedene Autoren haben auf die Parallelen zwischen Nietzsche und den älteren deutschen Romantikern hin­gewiesen. M. Nordau(Entartung, 2 Bände, Berlin 1892 und 1893) hat es sich zur besonderen Aufgabe ge­macht, die moderne Literatur, soweit sie von stärker Entarteten herrührt, zu besprechen und die gemein­samen Krankheitzüge herauszuheben. Ich betone, dass mich von Nordaus Denkweise eine weite Kluft trennt, dass ich seine Irrthümer kenne und seine Uebertrei­bungen nicht in Schutz nehmen will, aber es wäre ungerecht, zu leugnen, dass er in vielen Hinsichten Recht hat, und die Art und Weise, wie er todtge­schwiegen wird, ist nicht zu billigen. Nordaus Aufsatz über Nietzsche hat grosse Schwächen, ja er ist im