II. Die Krankheit.
die Absicht, später aus ihnen sein grosses, zusammenhängendes Werk zu formen. Aber wenn der Naturforscher zwar Kisten über Kisten nach Hause schickte, die Rückkehr jedoch vergässe, so ginge es ihm, wie es Nietzsche gegangen ist.
Die Beute war übergross. Nimmt man das Allzumenschliche und die ihm folgenden Bände zusammen, rechnet man gar auch die entsprechenden Bände der nachgelassenen Werke dazu, so hat man eine geradezu überwältigende Masse von Aphorismen vor sich, durch die sich hindurchzulesen ein hartes Stück Arbeit ist. Trotz aller Anerkennung für geistreiche Bemerkungen und sprachliche Vorzüge stöhnt man beim Lesen, und man fühlt sich zuweilen einer Art von Seekrankheit nahe. Indessen ist doch insofern eine innere Entwickelung wahrnehmbar, als mehr und mehr bestimmte Gedanken in den Vordergrund treten, und Ziele des Denkens erkenntlich werden, insbesondere die Bekämpfung der alten Moral-Auffassungen und ihre Ersetzung durch eine physiologische Werthschätzung. Ferner ist eine Aenderung damit gegeben, dass allmählich der alte Schwung des Denkens wiederkehrt. Auch diese Veränderung ist normal-psychisch. In Nietzsche waren zwei Seelen; die eine(das Theologenblut) drängte, der Gefilde hoher Ahnen eingedenk, zum Dithyrambus, die andere kühl und kritisch, drohte mit dem Messer des Anatomen. Hatte in der Jugendzeit jene Seele die Herrschaft geführt, so hatte sich nun 1875 die secirende Seele auf den Thron gesetzt und tyrannisch regirt. Eine Reaction war unvermeidlich, der Fanatismus für nüch