2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.
tiefe und langdauernde Wirkungen des Chlorals bei Nietzsche anzunehmen seien, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil dann auch körperliche Störungen kaum gefehlt haben würden(besonders Haut-, HerzSymptome). Indessen mag ausser den von Nietzsche beschriebenen merkwürdigen Hassgefühlen manche Eigenthümlichkeit auf das Chloral zu beziehen sein. Ich denke dabei z. B. an die Träume, die im Zarathustra eine Rolle spielen, an die vielen Wendungen, die sich auf Flug-Gefühle beziehen. Auch Schroffheiten im persönlichen Verkehre mögen zum Theile dem Mittel zuzurechnen sein. In den fraglichen Jahren brach Nietzsche mit manchen Freunden ohne zureichenden Grund, wurde gegen andere maasslos grob bei geringen Gelegenheiten. An Frau Baumgartner z. B. schreibt er am 28. Mai 1883, er wünsche keine weiteren Beziehungen, er wolle verschwinden.„Ich will es so schwer haben, wie nur irgend ein Mensch es hat; erst unter diesem Drucke gewinne ich das gute Gewissen dafür, etwas zu besitzen, das wenige Menschen haben und gehabt haben: Flügel— um im Gleichnisse zu reden.“ Das klingt höchst befremdlich. Rohde verletzte er 1887 wegen einer Aeusserung über H. Taine so stark, dass dieser die Correspondenz schroff abbrach.') Im Allgemeinen sind allerdings der vorliegenden brieflichen Aeusserungen sehr wenige, erst von 1886 an werden die(gedruckten) Briefe wie
1) Näheres bei O. Crusius, Erwin Rohde. Tübingen und Leipzig 1902, p. 155, s. a. oben S. 105.