2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.
Die Gehirnkranken verrathen ihren inneren Zustand, ihre Noth und das inwendige Toben beim Schreiben viel leichter als im täglichen Leben. Das ist eine bekannte Sache. Bei dem verschlossenen Nietzsche, der im Leben unter der Maske ging, war das Schreiben erst recht das den Dampf auslassende Ventil. „Nietzsche schrieb ‚Jenseit von Gut und Böse‘ während des Sommers 1885 in Sils-Maria und während des folgenden Winters in Nizza: Ende März 1886 war das Werk beendigt“(Nachbericht). Er begann also (allerdings nach langen Vorarbeiten) die Niederschrift rasch nach Beendigung des Zarathustra und schrieb wieder mit grosser Vehemenz das 279 Seiten enthaltende Buch. Fasse ich meine während wiederholten Lesens erhaltenen Eindrücke zusammen, so glaube ich, dass die Erregung hier etwas geringer sei als im vierten Theile des Zarathustra. Man kann annehmen, dass die Prosa zu grösserer Ruhe genöthigt habe, aber es ist auch wahrscheinlich, dass die Beruhigung zur Prosa trieb, dass das Nachlassen der Erregung Nietzsche an der Beendigung des Zarathustra hinderte. Die Meinung, Nietzsche habe keinen Schluss zum Zarathustra deshalb gefunden, weil er mit der Wiederkunftlehre noch nicht im Reinen war, scheint mir thöricht zu sein: Nietzsche wäre der Letzte gewesen, sich durch solche Gelehrten-Bedenken abhalten zu lassen; hätte der furor poetico-paralyticus angedauert, so wäre schon irgend etwas fertig geworden. Freilich, wenn man auch etwas mehr Haltung im ‚Jenseits“ finden kann, so treten doch nun die Ver
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