2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.
Früchte. Die progressive Paralyse ist eine so häufige Krankheit, dass man glauben sollte, wir kennten sie von Grunde aus. Es ist aber nicht so; trotz täglicher Berührung mit Paralytischen kann man immer wieder Neues erleben, weil geradezu individuelle Unterschiede vorkommen. Die Aerzte in den Anstalten bekommen die Kranken erst, wenn sie schon in nicht geringem Grade verblödet sind; das mag wohl der Grund davon sein, dass in den Lehrbüchern das Bild der Paralyse gewöhnlich etwas grobe Züge trägt. Diejenigen Aerzte, die nicht nur die Anstaltkranken sehen, sondern beobachten können, wie im Laufe der Jahre der später Paralytische ganz leise ein anderer Mensch wird, wie bald diese, bald jene Fähigkeit leidet oder sich auffallend gut erhält, bekommen eine andere Vorstellung von der Paralyse, aber auch sie erfahren nicht alles. Man darf nicht vergessen, dass bei Ausnahme-Menschen auch die Krankheit ungewöhnliche Züge trägt oder tragen kann, und dass die Erfahrungen der Aerzte an Durchschnitt-Menschen gewonnen sind, Ich weiss nicht, ob Andere einen so merkwürdigen Verlauf der Paralyse, wie sie ihn bei Nietzsche nahm, beobachtet haben. Ich wenigstens kenne keinen solchen Fall, und auch in den Lebensgeschichten der berühmten Leute, die an Paralyse gestorben sind(R. Schumann, Lenau und Andere), ist nichts ähnliches zu finden. Diese Betrachtungen drängen sich mir dem„Jenseits“ gegenüber auf, sie müssten aber auch bei den anderen Schriften nach 1882 angestellt werden: einerseits die zweifellosen Zeichen der zerstörenden Gehirnkrankheit
Möbius, Werke V.