Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
144
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II. Die Krankheit.

wandelt, bleibt mit mir verwandt. Er wandelte sich fortwährend, seine Freunde hätten sich zu gleicher Zeit und im gleichen Sinne wandeln müssen: eine offenbar unerfüllbare Forderung. Ueberdem versteht es sich von selbst, dass Jemand, der die Einsamkeit aufsucht, ohne Verbindungen anzuknüpfen von Ort zu Ort zieht, sich von Jahr zu Jahr den Uebrigen mehr entfremdet. Nietzsches Stimmung scheint während der gemeinten Jahre sehr wechselnd gewesen zu sein. Die krank­hafte Glückseligkeit, die Euphorie ist offenbar nur vorübergehend vorhanden gewesen. Häufiger scheint krankhafte Zornmüthigkeit mit Traurigkeit abgewechselt zu haben, ein Wechsel, den man bei Paralyse ziemlich oft beobachtet. Auf andauernde Erregung deutet die weite Oeffnung der Lidspalte: ein Gewährsmann be­richtet, man habe bei Nietzsche über der Regenbogen­haut einen Streifen der weissen Augenhaut gesehen. Auch habe er die Augen rasch hin- und herbewegt, gerollt, was manche Leute erschreckte. Gedruckte Be­richte über seinen Zustand liegen nur wenige vor. Rohde schreibt über die Begegnung in Leipzig im Jahre 1886:eine unbeschreibliche Atmosphäre der Fremdheit, etwas mir damals völlig Unheimliches, umgab ihn. Es war etwas in ihm, was ich sonst nicht kannte, und vieles nicht mehr, was sonst ihn auszeich­nete. Als käme er aus einem Lande, wo sonst Nie­mand wohnt(Briefe II, p. XXV). Fräulein v. Salis­Marschlins ist wiederholt mit Nietzsche zusammen gewesen; sie berichtet von Krankheit gar nichts, sie hat aber auch im Sommer 1888 nichts von Krankheit