Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
155
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2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.

artung erschienen Nietzsche die Religion, die Philo­sophie und die Moral. Alle drei sollten als Formen desNihilismus nach einander bekämpft werden, und derAntichrist ist eben der erste Theil dieser Be­kämpfung. Jedoch wird die Religion hier nicht als Symptom, sondern als Ursache der Entartung betrachtet. Nur diese Auffassung erklärt die Erbitterung Nietzsches, sie weist aber zugleich auf einen geistigen Defect hin. Noch in derGötzendämmerung hatte Nietzsche ge­sagt, der Mensch werde nicht durch die falschen Gedanken krank, sondern er nehme falsche Ge­danken auf, weil er krank Sei. Das Schwanken zwischen einer physiologischen und einer rationali­stischen Anschauung, das sich hier besonders schroff bemerklich macht, aber auch sonst vorkommt und geradezu zu den Kennzeichen des späteren Nietzsche gehört, zeigt, dass er nicht im Stande war, seine Gedankenrichtungen zu zügeln. Bald liess er sich in der einen Richtung ziehen, bald in der anderen. Im Mai 1888 schreibt er an Brandes sehr erfreut, es sei ihm jetzt fast alle Tage für etwa zwei Stunden möglich, seineGesammtconception zu übersehen (siehe später). Für gewöhnlich also konnte er es nicht, und das ist wohl die Ursache davon, dass er sich in den zu ungefähr derselben Zeit geschriebenen Schriften oft widerspricht. Diese vielen Widersprüche sind die Verzweiflung Aller, die es versucht haben, Nietzsches Gedanken im Zusammenhange zu verthei­digen oder zu widerlegen. Ich glaube, dass die pro­gressive Paralyse hier in Frage komme. Obgleich