Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
156
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II. Die Krankheit.

sonst sich bei Nietzsche während der Entwickelung der Gehirnkrankheit keine Abnahme der intellectuellen Fähigkeiten im engeren Sinne zeigt, die geistige Thä­tigkeit mehr indirect, dass heisst durch den Wegfall von Gefühlen oder durch falsche Gefühle, geschädigt wird, so tritt doch im Mangel an zusammenfassender Kraft, an Uebersicht ein intellectuelles Minus zu Tage. Freilich ist nicht zu verkennen, dass Nietzsches ursprüng­liche Geistesart dem Uebel Vorschub leistete, insofern als die Einseitigkeit und die Neigung zum sprunghaften Denken, die ihm immer eigen waren, im Grunde auch einen Mangel an Zügelkraft voraussetzen. Jedoch häufen sich die Widersprüche in den späteren Schriften so, das Unvermögen, die Consequenzen der Sätze zu über­sehen, wird so deutlich, dass man ohne die Annahme besonderer paralytischer Veränderungen kaum aus­kommen wird. Diese Bemerkungen hätte ich schon früher machen können, ich mache sie aber hier, weil die Sache beimAntichrist am allerdeutlichsten aus­gesprochen ist. Unter dem Einflusse der Gehirn­krankheit ist allmählich eine Karrikatur des ursprüng­lichen Nietzsche entstanden. DerAntichrist ist einerunzeitgemässen Betrachtung viel ähnlicher, als es eine der Aphorismus-Schriften ist. Auch hier Ein grosser Zielgedanke, auch hier ein durchgehender leidenschaftlicher Schwung, und doch welche Gegen­sätze! Dort wie hier glaubt man einen rauschartigen Zustand wahrzunehmen, aber dort hört man einen durch Wein erregten Jüngling, hier einen zeternden Schnapstrinker. Wenn Gottfried Keller den Aufsatz