2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.
gegen Strauss wegen des„gar zu monotonen Schimpfstiles“ nicht zu Ende lesen konnte, was würde er erst über den„Antichrist“ gesagt haben? Wie beim Angetrunkenen es schwer zu sagen ist, inwieweit die geistigen Leistungen durch den Affect beeinträchtigt werden, inwieweit sie direct geschädigt sind, so ist auch dem leidenschaftlich erregten Verfasser des„Antichrist“ gegenüber das Urtheil schwer. Auf der einen Seite zeigt Nietzsche auch hier soviel Geist, so scharfe Kritik und so grosse geistige Behendigkeit, dass es unsinnig wäre, von paralytischem Schwachsinne zu reden, auf der anderen Seite erschrecken wir über die grenzenlose Einseitigkeit der Auffassung, über fast kindische Vermuthungen, über historische Irrthümer, über die Kurzsichtigkeit, die das„allzuscharf macht schartig“ ganz vergessen liess. Wir wissen, dass sich Menschen, die sich, wie man sagt, in die Wuth hineingeredet haben, ganz ähnlich benehmen und oft viel thörichter erscheinen, als sie sind, und die paralytische Zornmüthigkeit wirkt natürlich ebenso, Will man in dieser(allerdings rein„akademischen“ Frage zu einem gewissen Aufschlusse gelangen, So muss man zuerst beachten, dass im„Antichrist“ die älteren und die neuen Bestandtheile sich ziemlich leicht unterscheiden lassen. Zu den älteren Stücken gehört besonders die historische Darlegung, d. h. die Schilderung des Judenthums, die Auffassung der Person Jesu und der evangelischen Schriften einerseits, die Bemerkungen über Buddhismus und die indische Literatur andererseits. In alledem findet man viel feine und relativ wahre Bemerkungen. Besonders ist