Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
158
Einzelbild herunterladen

II. Die Krankheit,

das Bild des Erlösers, so willkürlich es auch ent­worfen ist, eine bemerkenswerthe Leistung. Obgleich Nietzsche offenbar das Motiv den Schriften Tolstois entnommen hat(widerstehet nicht dem Bösen), so zeugt das Ganze doch von vielem Nachdenken. Hier spricht der ursprüngliche Nietzsche, dagegen ist offenbar die wüste Schimpferei gegen den Apostel Paulus Arbeit von 1888. Man sieht ordentlich, wie die Wuth mit Nietzsche durchgegangen ist, als er die Pharisäer­Theologie des Apostels besprechen musste. Ein Mensch, der nicht gehirnkrank ist, kann in Paulus nicht einen bewussten Betrüger sehen, kann nicht be­haupten, sein einziges Motiv sei die Rache gewesen, u. s. f., von den unanständigen Schimpfworten ganz abgesehen. Der Leser wird an den meisten Stellen sagen können, das ist von 1888, das ist älter, aber freilich an allen nicht, denn besonnen sind ja die älteren Schriften auch nicht, wie z.B. dieGenealogie voll von Gift und Galle gegen das Christenthum ist. Ich kann auf das Einzelne nicht eingehen, nur Eine Stelle will ich als Beispiel abschreiben, damit man die Art desAntichrist erkenne:Ich sehe eine Möglich­keit vor mir von einem vollkommen überirdischen Zauber und Farbenreiz: es scheint mir, dass sie in allen Schaudern raffinirter Schönheit erglänzt, dass eine Kunst in ihr am Werke ist, so göttlich, so teufels­mässig-göttlich, dass man Jahrtausende umsonst nach einer zweiten solchen Möglichkeit durchsucht; ich sehe ein Schauspiel, so sinnreich, so wunderbar paradox zu­gleich, dass alle Gottheiten des Olymps einen Anlass zu