2. Die Entwickelung der progressiven Paralyse.
Geist wurde sogar in dieser fürchterlichen Zeit erst reif: Zeugniss die ‚Morgenröthe‘, die ich in einem Winter von unglaublichem Elend in Genua, abseits von Aerzten, Freunden und Verwandten, geschrieben habe. Das Buch ist eine Art von ‚Dynamometer‘ für mich: ich habe es mit einem Minimum von Kraft und Gesundheit verfasst. Von 1882 an ging es, sehr langsam freilich, wieder aufwärts: Die Krisis schien überwunden(— mein Vater ist sehr jung gestorben, exakt in dem Lebensjahr, in dem ich selbst dem Tode am nächsten war). Ich habe auch heute noch eine extreme Vorsicht nöthig; ein paar Bedingungen klimatischer und meteorologischer Art sind unerlässlich. Es ist nicht Wahl, sondern Zwang, dass ich die Sommer im Oberengadin, die Winter an der Riviera zubringe.. Zuletzt hatte mir die Krankheit den allergrössten Nutzen gebracht: sie hat mich herausgelöst, sie hat mir den Muth zu mir selbst zurückgegeben.... Auch bin ich, meinen Instinkten nach, ein tapferes Thier, selbst ein militärisches. Der lange Widerstand hat meinen Stolz ein wenig exasperirt.— Ob ich ein Philosoph bin?— Aber was liegt daran!...“(An Brandes, vom 10. April 1888.)
„Diese Wochen in Turin... sind mir besser gerathen als irgend welche Wochen seit Jahren, vor allem philosophischer. Ich habe fast jeden Tag ein, zwei Stunden jene Energie erreicht, um meine GesammtConception von Oben nach Unten sehen zu können: Wo die ungeheuere Vielheit von Problemen, wie im Relief und klar in den Linien, unter mir ausgebreitet