Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
Seite
190
Einzelbild herunterladen

190

Il. Die Krankheit.

wickelung da war, eine acute Steigerung erfahren haben, die man mit einem Aufflammen vergleichen mag, ohne dass deshalb alles klar wäre. Wenn man an einen Brand denkt, der die vorher schon langsam erhitzten Zellen und Fasern rasch verzehrte, versteht man, dass diesen Vorgang lebhafte Reizerscheinungen: Aufregung, Toben, Schreien, Wahnvorstellungen, einzelne Sinnes­täuschungen, begleiteten. Das grosse Feuer brannte etwa acht Monate lang, dann blieben ausgebrannte Mauerreste übrig: Nietzsche war ruhig, aber ganz blöd­sinnig. Ein Rest von Gefühlen, etwa nach der Art eines kleinen Kindes, blieb, aber auch er verkleinerte sich mit der Zeit noch. Dazu kamen später körper­liche Störungen im engeren Sinne des Wortes. Die lange Dauer der Blödsinn-Zeit ist zwar nicht ohne Beispiel, aber immerhin ungewöhnlich.

Es könnte jemand fragen, inwieweit Nietzsche für seine Schriften verantwortlich gemacht werden dürfe. Gesetzt, wir lebten in einem Lande, in dem die Ge­setze solche Schriften verböten, und im Strafprozesse wäre die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit erhoben worden, so würde der Sachverständige etwa Folgendes zu antworten haben. Die vor 1882 verfassten Schrif­ten müssen dem Verfasser zugerechnet werden, er kann nur mildernde Umstände beanspruchen durch den Hinweis auf seine von vornherein vorhandene Instabi­lität und seine durch die schwere Migräne gesteigerte Nervosität. Anders ist es mit dem nach 1881 Ge­schriebenen. Es ist nachgewiesen, dass der Verfasser an einer Gehirnkrankheit litt, die erfahrungsgemäss das