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Die Landgemeinde in Preußen / von Moritz von Lavegne-Peguilhen
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2 Einleitung.

da würde der naturgemäße Entwickelungsgang unterbrochen, es würden ſchmerzhafte und Gefahr bringende Geſellſchafts­krankheiten hervorgerufen werden.

Die Geſchichte giebt uns überall Beweiſe für dieſen geſellſchaftlichen Entwickelungsgang. Alle civiliſirten Völker haben die Bahnen des Kulturlebens von den rohen An­fängen zu den heutigen Höhepunkten zu durchlaufen gehabt. Man iſt von der Abgötterei zum Chriſtenthume, von der Vielweiberei zur Ehe, von der Sklaverei zur Freiheit, von der Anarchie und Despotie zu der auf ſittlichen Grundlagen beruhenden Monarchie übergegangen. Bei dem organiſchen Zuſammenhange der einzelnen geſellſchaftlichen Beſtandtheile konnten ſo mächtige Neugeſtaltungen nicht auf die einzelnen Sy­ſteme des Geſellſchaftsorganismus beſchränkt bleiben, in denen ſie ſich zunächſt ereigneten; fie mußten mit entſprechender Mo» difikation aller andern Syſteme verbunden ſein. Man konnte nicht zur Monarchie und zur Freiheit übergehen, zugleich aber Abgötterei und Vielweiberei beibehalten wollen 2c. Wo man in einem Syſteme zu den höheren Entwickelungs­formen vorzugehen verſuchte, den entſprechenden Vorgang in allen andern Syſtemen aber verſäumte, da mußte der Verſuch ſcheitern, da mußten auch aus dieſer Anomalie ſich geſellſchaftliche Krankheitszuſtände hervorbilden.

Hier liegt die große Schwierigkeit wahrhaft fruchtbrin­gender Geſellſchaftsreformen. Wo auch in einzelnen Ge bieten des Völker- und Staatslebens die Art der natur gemäß nothwendigen Fortbildungen ſich leicht überſehen läßt, da iſt es doch um ſo ſchwieriger, die dadurch in den andern Gebieten gleichzeitig nothwendig werdenden Umge­ſtaltungen zu beſtimmen; dieſe wurden in der Regel ver­abſäumt, und daher die Zerriſſenheit, die krankhaften Zuk­kungen, die überall den geſellſchaftlichen Fortbildungsprozeß begleiteten und deſſen endliche Erfolge ſtörten. Nur in dem Maaße, wie die Wiſſenſchaft vorgeſchritten ſein, wie man die dem geſellſchaftlichen Leben zum Grunde liegenden ewigen und unwandelbaren Geſetze erkannt haben wird,