74 Kulturverhaͤltniſſe.
abweichende Intereſſen nicht obwalten, und da der Stand der Landgemeinden und beſonders der der Landarbeiter auf das lebendigſte wünſchen muß, daß auch die größeren Landgüter und deren Beſitzer nicht ferner durch Zwangsverkäufe herabgewürdigt werden. Iſt man über dieſes Bedürfniß zum Bewußtſein, und über die leitenden Grundſätze zum Verſtändniß gelangt, ſo hat die Entwerfung des Geſetzes ſelbſt keine Schwierigkeit. Dieſe wird dem Staate anheimfallen, dem ein achtbarer, wohlhabender und zufriedener Stand von Grundbeſitzern, und ein vorſchreitender National— wohlſtand, die alleinige Grundlage des Beſtehens und der fortſchreitenden Entwickelung verleihen.
V.
Kulturverhältniſſe.
Die mittelalterliche Verfaſſung der europäiſchen Geſellſchaft bot das Bild eines ſehr hoch entwickelten Organismus dar. Die Feudal⸗-, Korporativ- und kirchlichen Bande umſchlangen die einzelnen Individuen aufs innigſte; überall ſtand denſelben die Cenſurgewalt des Gutsherren, der Zunftmeiſter und Prieſter ermahnend, warnend und ſtrafend zur Seite; der ſittlichen Abirrung ward vorgebeugt, die ſinnliche Exiſtenz war geſichert. Die einzelnen geſellſchaftlichen Wirkungskreiſe gewährten ihren Inhabern Ruhe, Frieden und Zufriedenheit. Mit dem Uebergange zur Geldwirthſchaftsform hat die heutige Geſellſchaft ganz entgegengeſetzte Grundlagen erhalten. Die Konkurrenz zwingt Jedermann zur Ausbildung und Anſtrengung der ihm von Gott verliehenen Kräfte; die Kultur iſt für Jedermann eine Noth—