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Kulturverhaͤltniſſe. 75
wendigkeit geworden, der ſich in einem nur einigen Lebens genuß gewährenden Wirkungskreiſe erhalten, ſich über die unterſten Klaſſen der Geſellſchaft erheben will. Im Mittelalter genügten paſſive Tugenden, heute werden auch active gefordert, wenn eine geſicherte Stellung in der Geſellſchaft errungen oder erhalten werden ſoll. Gewiß iſt es ein unermeßlicher Fortſchritt, daß die Kultur endlich eine Nothwendigkeit geworden iſt.
Aber dieſe Nothwendigkeit wird nur dadurch zugleich eine Möglichkeit, daß der Kampf der geſellſchaftlichen Kräfte mit gleichen Waffen gekämpft, oder daß das Gleichgewicht der Kräfte auf künſtlichem Wege hergeſtellt wird. Der kleine Gewerbsmann wird durch die Nähe einer die gleichen Erzeugniſſe darſtellenden Fabrik zu Grunde gerichtet, wenn dieſer nicht etwa mittelſt angemeſſenen Steuerſatzes ein künſtliches Gegengewicht angehängt worden iſt. Zwar iſt die Konkurrenz unter den Landgütern nicht ſo lebhaft, weil bei einer geordneten Geſellſchaftsverfaſſung eine Marktüberfüllung von Landwirthſchaftserzeugniſſen nicht denkbar, deren Verzehr faſt unbeſchränkt iſt, und weil mit der Steigerung der Landptoduction auch die Bevölkerung entſprechend zunimmt. Aber dennoch artet das Mißverhältniß auf eine gefahrbringende Weiſe aus, ſobald bei erheblichem Gegenſatze in der Wirthſchaftsausdehnung auch noch ein Mißverhältniß in den Kulturſtadien und in den dadurch bedingten perſönlichen Productionskräften ſich offenbart, welches das Maaß der wirthſchaftlichen Verſchiedenheit weſentlich überſteigt. Iſt der große Gutsbeſitzer unverhältnißmäßig höher gebildet, als der angränzende Ruſtikalbeſitzer, ſo wird er den Morgen Landes auch um ſo höher nutzen; er wird ihn anſehnlich theurer bezahlen können, als jeder andere Kaufliebhaber; und endlich auch in den Beſitz dieſes Hofes gelangen, ſobald die ſchlechte Wirthſchaft dem Inhaber ſo viele Verlegenheiten bereitet, daß er endlich zum Verkaufe gezwungen oder doch geneigt iſt. Aehnliche Gefahren müſſen ſchon früh ſich überall zu erkennen gegeben