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Die Landgemeinde in Preußen / von Moritz von Lavegne-Peguilhen
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90 Kulturverhaͤltniſſe.

allen Anknüpfungspunkten fehlt; daher ſie ihr Daſein in einer gänzlichen Abgeſchloſſenheit verleben. Dabei ſind ihnen die gewöhnlichen Fehler ihrer Erziehung, unbegränzte Eitelkeit und Anmaßung, vollkommene praktiſche Unfähigkeit 1c. bald abge: merkt, ſie werden Gegenſtand des Geſpöttes, und damit iſt natürlich die Möglichkeit eines gedeihlichen Wirkens vernichtet. Man wird endlich die Anforderungen an die wiſſenſchaftliche Bildung die doch unter dem gegebenen Verhältniſſe immer nur in dürftigem, unfruchtbarem Wiſſen beſtehen kann herabſtimmen, die an den Charakter und an die Lebens­erfahrung ſteigern müſſen. Kann man ſich nicht entſchließen, die Lehrerſtellen wiederum als Verſorgungspoſten für Mili­tairs zu beſtimmen, und in den ärmeren und rohen Gemein­den wäre dies durchaus angemeſſen, ſo wird man doch die jungen Seminariſten längere Zeit als Hülfslehrer unter Aufſicht ſtellen müſſen, bevor ihnen ein ſelbſtſtändiger Wir kungskreis anvertraut wird.

So iſt denn für die Kultur der Landgemeinden noch faſt Alles zu thun. Man wird nicht allein das Schulweſen gänz­lich umgeſtalten müſſen, um daſſelbe zu einer wahrhaft frucht­bringenden Wirkſamkeit zu erheben, auch alle anderen Rich­tungen des Kulturlebens werden gleichzeitig zu verfolgen ſein, wenn die Landgemeinden endlich zu dem der neuern Agrar geſetzgebung entſprechenden Bildungsgrad ſich erheben ſollen. So lange in dieſer Beziehung noch eine faſt maaßloſe Kluft be­ſteht, werden auch die großen Geſchenke der Freiheit und des Eigenthums keine Früchte tragen. Ja ſie erſcheinen ſelbſt verderblich, weil die Auflöſung der Feudalbande ſie dem An­griff der mächtigeren Nachbaren preisgegeben hat, weil die dieſen zu Gebote ſtehenden Kulturhebel einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, und weil dadurch das Miß­verhältniß in der Konkurrenz der großen und der kleinen Gü­ter in einer Weiſe geſteigert wird, welche die Exiſtenz der letz­tern bedroht. Dieſe iſt kaum zu retten, ſobald die Rittergutsbeſiz­zer erſt alle ihnen zu Gebote ſtehenden Kulturmittet ins Werk ſez­zen und zur Ausdehnung ihrer Wirkungskreiſe benutzen werden.