Kulturverhaͤltniſſe. 89
pismus ihre Entſtehung fand; auch dieſer war lange bemüht, das Eldorado der Humanität unmittelbar zu erobern, ohne zu bedenken, daß, der menſchlichen Beſtimmung nach, dieſe nur durch redliche Erfüllung der geſellſchaftlichen Pflichten zu erreichen iſt. Noch immer werden auf allen Gebieten des Kulturlebens wahre Fortſchritte verfehlt, weil man ſich nicht entſchließen kann, mit kleinen Verbeſſerungen zufrieden zu ſein, weil man ſofort das Vollkommnere erzielen will, dazu aber von allen Mitteln entblößt iſt. Die franzöſiſche Revolution giebt hiervon ein welthiſtoriſches Beiſpiel.
Aber nicht allein die ideale Richtung, die man den Schulen gegeben, iſt ihrem gedeihlichen Wirken hinderlich geweſen; die Schwierigkeiten der materiellen Ausſtattung waren nicht gering, vor Allem aber die Beſchaffung eines tüchtigen Lehrerperſonals. Durch das Leben ſelbſt wurden Männer nicht erzogen, die den Anforderungen entſprachen; man mußte Seminarien errichten, ſich die erforderlichen Subjecte künſtlich heranbilden, ohne indeſſen dadurch dem Ziele näher zu rücken. Bei gänzlicher Unkenntniß aller Lebensverhältniſſe, mit einer Fülle trocknen Wiſſens ausgeſtattet, gelangen die Zöglinge der Seminarien ſehr früh in ein Amt, dem ſie, wenn auch von Seiten des Wiſſens, doch von der des Charakters durchaus nicht gewachſen ſind. Die jungen unerfahrenen Männer ſollen in den Landge— meinden den Mittelpunkt des geiſtigen Vorſchreitens dar— ſtellen; ſie ſollen, wenigſtens auf die Jugend, umbildenb, reformirend einwirken; verfolgen dieſe Richtung anfänglich auch mit dem Umgeſtüm ihres Alters, ſtoßen aber bald auf Hinderniſſe, werden entmuthigt, und überlaſſen ſich endlich dem trivialſten Schlendrian. Das größte Hinderniß iſt aber, daß es den jungen Leuten, eben vermöge ihres Bildungsganges, faſt unmöglich wird, ſich Achtung und Anſehen in den Landgemeinden zu verſchaffen, weil dieſe nur achten, was offenbar nützlich iſt. Die Bildung der Seminariſten iſt ſo durchaus abweichend von der ihrer ganzen Umgebung, daß es zu einem geſelligen Verkehre an