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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
Entstehung
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1. Schiekfale Ses Talmus.

Habent sua fata libellies haben die Bücher ihre Geſchicke. Dieſer Satz findet vielleicht nirgend eine ſo treffende Anwendung als beim Talmud. Seit 1400 Jahren war ſein Schickſal dasjenige des Juden­thums. Wie oft wurde er den Flammen übergeben, wie oft durch ſogen. Verbeſſerungen verſtümmelt, durch Verſtümmelungen verbeſſert! Wie oft in den Himmel gehoben und wie oft lächerlich gemacht! Mehr als hundert Mal iſt er in die Acht erklärt, confiscirt, vernichtet und verunſtaltet worden. Im Jahre 553 wurde er von Juſtinian durch eine ſpezielle Novella ver. boten, Honorius LTV. nennt ihn in einem Schreiben an den Biſchof von Canter­bury im Jahre 1286 ‚verdammungswürdiges Buch, Quelle alles Uebels Faſt jeder Papſt beehrte ihn mit einer Bannbulle, faſt jeder König und Kaiſer mit einem Confiscations⸗ oder Verbrennungsdekret. Namentlich in Frankreich und Italien waren öffentliche Verbrennungen des Talmud an der Tagesordnung, dieſe Prozedur fand innerhalb fünfzig Jahren nicht weniger als ſechs Mal ſtatt. Im Jahre 1553 erließen Papſt Julius III. 1559 Paul IV. ihre Verbote gegen ihn, 1566, 1592, 1599 folgten die Dekrete Pius IV. und Clemens VIII. Pius V. ertheilte die Erlaubniß zu einer neuen Auflage nur unter der Bedingung, daß ſie nicht den Namen Talmud führe. Man ſollte danach meinen, der Talmud wäre ein fürchter­licher, ganz ſchrecklicher Menſch geweſen. Und in der That es iſt das keine Uebertreibung hat ihn ein gelehrter Kapuzinermönch, Namens Henricus v. Seynenſis, für einen Rabbiner gehalten,ut Rahbinus Talmud narrat' pflegte der gute Mann zu eitiren. Als rühmliche Ausnahme ver­dient der Papſt Clemens V. hervorgehoben zu werden, der wenigſtens, ehe er ihn in die Acht erklären ſollte, etwas Näheres darüber erfahren wollte, freilich vergebens, denn Niemand gewiß ſehr charakteriſtiſch wußte Auskunft zu ertheilen, weshalb er den noch jetzt zeitgemäßen Vorſchlag machte,

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