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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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damaligen Generation. Noch ärger kommen wir leider Gottes zu ſpät Geborenen an einer anderen Stelle weg:Waren die Früheren zu ſchätzen wie Engel, dann ſind wir als Menſchen zu betrachten, waren aber jene nur Menſchen, dann ſind wir zu ſchätzen wie Eſel, aber nicht etwa wie der Eſel des Pinehas b. Jair, denn dieſer war ſtrenggläubiger und konſervativer als wir, fraß nämlich man denke kein Futter, von dem er nicht ſicher wußte, daß es verzehntet ſei.(Bereſchit rabba 69, Erubin 53a. Vergl. mein: Abr. Geiger S. 79 Anm.).

Israel hat keinen perſönlichen Meſſias zu erwarten, denn alle etwa darauf hinzielen ſollenden bibliſchen Aeußerungen find ſchon mit der Regierungszeit des Königs Hiſkia in Erfüllung gegangen(Sanh. 99). In der Befreiung Israels von Druck und Verfolgung beſteht ſein Meſſias(Ber. 34). Danach können wir in Preußen wenigſtens noch eine Weile darauf warten.Der Sabbat iſt um Euretwillen, nicht Ihr des Sabbats wegen da(Jona 856). Das Staatsgeſetz hat unter allen Umſtänden bindende Kraft, ſelbſt, wenn es der religiöſen Obſer­vanz entgegenſteht(B. Kamma 113). Man muß bei Erfüllung der Ge ſetze leben können, d. h. ſie dürfen nicht ſtörend ins praktiſche Leben eingreifen(Joma 35). Religiöſe Satzungen, die für paläſtinenſiſche Zu­ſtände und für den Jeruſalemiſchen Tempel berechnet ſind, haben für uns keine Geltung. Ein Grundſatz von ſehr großer Tragweite.

7. Talmusiſche Lebensweisheit.

Indem wir die Fabel- und Parabeldichtung des Talmud übergehen, weil das ein zu reichhaltiges Gebiet und für unſern augenblicklichen Zweck etwas zu fernliegend iſt, begnügen wir uns mit dem Hinweiſe darauf, daß wir in unſerenPrinzipien des Juden thums(Leipzig 1877, Baumgärtner) die berühmten Gleichniſſe Jeſu als ſämmtlich in der rabbi­niſchen Literatur ſich vorfündend quellen mäßig nachwieſen. Wir kommen ſomit zur Gnomologie und Lebensphiloſophie des Talmud, be­merken aber im Voraus, daß wir uns in der Auswahl ſehr beſchränken, da ſonſt unſere Schrift zu einem dicken Buche anwachſen würde. Auch glauben wir in dieſem Kapitel die Citate weglaſſen zu dürfen, ſind aber gerne bereit, auf Wunſch die Quelle mitzutheilen.