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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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3 triumphiren. Möge ſammt den jüdiſchen Büchern, die er vertheidigt, der Urheber einer ſo ſchrecklichen Verwirrung, Reuchlin, untergehen, worauf Reuchlin eine Vertheidigungsſchrift herausgab, in der er u. A. ſagt:Die Juden ſind rechtlich unſere Nebenmenſchen, wir müſſen ſie lieben.

Speeiell über den Talmud befragt, ſagte er, daß er Nichts davon verſtehe, bemerkte aber, daß es Anderen gerade ſo gehe.Es ſei ihm kein jüdiſcher Täufling bekannt in teutſchen Landen, ders hab kinden weder verſton, noch gar leſen, überhaupt ſei der Talmud nicht dazu da,daß jeder mann mit ungewaſchenen Füßen drüber lauff und ſag, er kunds auch. Frei­lich ſind ſeine Gründe für Nichtverbrennung nicht gerade ſchlagend, ja zum Theil komiſch. So z. B. meint er, der Talmud müſſe, wenn ſchlecht, um ſo eher erhalten bleiben, damit die chriſtlichen Theologen ein Object haben, ihre Fechterkunſt zu bewähren. Ferner: die Juden könnten ſich rüh­men, die Chriſten fürchteten den Talmud, oder ſie würden ſich erſt recht daran klammern, da verbotene Früchte gut ſchmecken, oder man werde ihn vielleicht bei Concilien brauchen und kein Exemplar finden, weil er ver brannt iſt, oder, wenn die Chriſten nicht mehr mit den Juden disputiren könnten, würden fie ſich untereinander ſpalten, das Verbrennen in Deutſch­land könne Nichts helfen, wenn daſſelbe nicht in Italien, Conſtantinopel, im Orient auch geſchähe, wo ſo viele Talmudſchulen exiſtiren, und machte er daher den Vorſchlag, daß an deutſchen Univerſitäten Lehrſtühle dafür errichtet würden. Der Sturm gegen Reuchlin tobte immer heftiger, der Pamphlete, Flugſchriften, Broſchüren, Karrikaturen gegen ihn gab's kein Ende, er wurdeJudekäuflicher Renegat u. dgl. m. genannt, die theologiſche Fakultät zu Paris hielt nicht weniger als 47 Sitzungen in der Sache, deren Reſultat die Verurtheilung Reuchlins war. Allein um ihn ſchaarten ſich der Herzog Ulrich von Württemberg, Kurfürſt Friedrich von Sachſen, Ulrich von Hutten, Franz v. Sickingen, Erasmus von Rotterdam, die ganze imponirende Schaar derTalmutphili, der Humaniſten, der berühmten Vorläufer der Reformation, und die Kölner wurden zu den Prozeßkoſten verurtheilt.(Vergl. Dunkelmännerbriefe.) Der Talmud wurde nicht verbrannt, und o Ironie des Schickſals im ſelben Jahre(1520), als eine vollſtändige neue Ausgabe deſſelben in Venedig die Preſſe verließ, hat ein kühner Mönch die Zellen des Kloſters geſprengt und in Wittenberg einen Brand angefacht, der ganz Europa entzündete. Auch in neuerer Zeit hat der Talmud die öffentliche Auf­merkſamkeit erregt, und zwar vor der Emanzipation der Juden, um die­