und Aſtrologie, Geſchichte, Politik und Ethik, ja ſogar Marktberichte, Anek— doten Boumots von nicht immer dezenter Auffaſſung, und ſelbſt Klatſch und Chronique scandaleuse finden ihre Vertretung. Von der Religion aus— gehend, dehnt ſich der Talmud, der eine Fortbildung des Moſaismus ſein will, über Alles und Jedes aus, über Speis und Trank, über Kleid und Bett, über Geſundheit und Krankheit, über Wiege und Bahre, über Arbeit und Beten, über Familie und Staat, über Ackerbau und Viehzucht, über Handwerk und Handel, über Geſellſchaft und Unterwelt, über Prieſter und Teufel, über Faſten und Aberglauben, über Eheleben und Prügelſtrafe, über Erziehung und Feſttage, über Heuchelei und Hölle und über den Neumond.
So bildet dies eigenthümliche Werk den Niederſchlag des geiſtigen und religiöſen Lebens der Juden in einem achthundertjährigen Zeitraume, ein bedeutſames, hiſtoriſches Dokument, ein aus achthundertzähriger Arbeit eines Volksintellekts angewachſenes Rieſenprodukt, ein literariſches Herkulanum. Es iſt alſo klar, daß der Talmud weder die Wiſſenſchaft noch das Religionsbuch des Judenthums iſt, und nach ſeiner ganzen Anlage nicht zu verwundern, daß auch viel Schiefes, Abſurdes, ja mitunter Unmora— liſches darin enthalten iſt. Allein für die in demſelben enthaltenen Unge— reimtheiten das moderne Judenthum veranwortlich machen oder gar danach beurtheilen, wäre daſſelbe, als wenn Jemand nach 1400 Jahren den deutſchen Reichstag nach den Reden eines Haſſelmann und den preußiſchen Landtag nach denen eines Ludwig, Stöcker und Stroſſer beurtheilen, oder die„Kölniſche Zeitung“ für ſoeialiſtiſch halten würde, weil fie auch Reden von Soeial— demokraten abgedruckt hat. Es ſind daher ſowohl diejenigen im Unrechte, welche den Talmud als Sammelſurium thörichter Irrthümer, rabbiniſchen Aberwitzes und unſittlicher Anſchauungen verdammen, als auch die, welche ihn als Fundgrube aller Weisheit und Tugend verhimmeln. Auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte. Gerade beim Talmnd bewährt ſich leider nicht ſelten das Sprichwort„du sublime au ridicule il ny a qu'un pas.“ Er muß als menſchliches Werk mit dem ihm inhärirenden in der Zeit ſeiner Abfaſſung großentheils begründeten Schwächen betrachtet und weder unter noch über alle Kritik ſtehen. Und gerade dem Reformjudenthum, Zunz, Geiger an der Spitze, gehört das hohe Verdienſt an, Licht und Schatten nach dieſer Richtung hin gleichmäßig vertheilt, den Wildwuchs dieſer eigenartigen Literatur mit der Fackel hiſtoriſcher Kritik beleuchtet, wegſame Pfade in dieſe Verſchlingung gehauen zu haben. Freilich iſt der Talmud im Lichte wiſſenſchaftlicher Forſchung von dem Piedeſtal bindender