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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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der Größe deſſelben giebt der Talmud folgende Vorſtellung: Der männ­liche Leviathan verſchlucke täglich das Weltmeer, um den Durſt zu löſchen, doch wird glücklicherweiſe das Waſſer durch die zwei Thränen erſetzt, welche der liebe Gott wegen der doch von ihm zugelaſſenen(?) Zerſtörung des Tempels in Jeruſalem vergießt. Dieſes Seeungeheuer rede ſiebzig Sprachen.

2) Schor habor(Maſtochs, Behemot), welcher täglich tauſend Berge abweidet, die abernatürlich von Neuem bewachſen werden, das Waſſer des Jordans, welches ſich in einem ganzen Jahre angeſammelt, auf ein­mal austrank.

3) Bar Jochnna, ein Vogel, der einmal ein Ei aus ſeinem Neſte fallen ließ, welches durch ſeine Schwere 300 Cedernbäume zertrümmert hat.

Der Wein zu dieſem Diner rührt von anno 1 her nnd befindet ſich vorläufig noch in ſeinen Trauben.

Selbſtredend ſind ſolche Stellen, ſofern nicht ein tieferer Sinn in der bizarren Hülle verborgen iſt, nicht ernſt zu nehmen, ebenſowenig wie die Erzählung des Rabbi Akiba an ſeine Schüler. Als er nämlich merkte, daß dieſelben etwas abgeſpannt und in Folge der Hitze nur ſchläfrig dem gelehrten Vortrage folgten, erzählte er ihnen plötzlich, daß eine Frau in Aegypten 600,000 Männer geboren hätte, durch welche pikante Hyperbel die Schüler gefeſſelt wurden. Dann deutete Akiba ſeinen Ausſpruch dahin, dieſe Frau wäre Jochebed, Mutter Moſis, geweſen, welcher an moraliſchem Werthe den 600,000 Israeliten in Aegypten gleichſtand. Wer nun alle ſolche Stellen wörtlich nehmen wollte, könnte allerdings leicht vonrabbiniſchem Aberwitz ſprechen. Man muß ſich eben in den Geiſt des Talmud hineinverſetzen können, um ihn gebührend zn beurtheilen. Noch heute bleibt das Reuchlin'ſche Wort wahr, daß er nicht dazu ſei daß Jedermann mit ungewaſchenen Füßen drüber lauff. Auch die intoleranten, gehäſſigen Stellen gegen Andersgläubige ſind theilweiſe, wenn auch nicht zu vertheidigen, ſo doch zu erklären. Oder dürfen wir uns etwa darüber wundern, daß ein Rabbi, dem mehrere Söhne von römiſchen Söldlingen vor ſeinen Augen durchbohrt wurden, ſich zu nicht gerade ſchmeichelhaften Aeußerungen gegen die Heiden hinreißen ließ? Sind die Juden nicht auch pſychologiſchen Geſetzen unterworfen? Ebenſo ſind Redensarten, wieder beſten Schlange zertrete man den Kopf, der beſte Arzt kommt in die Hölle, der beſte Heide verdient den Tod u. A. m. nicht ernſt zu nehmen und ſtehen mit derartigen Ausſprüchen in den Fliegenden Blättern auf derſelben Stufe. Selbſtverſtändlich wäre es

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