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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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| 18| A| ihm die Fluth, gehört er dem Irdiſchen an, fein Haupt aber, das Unver⸗| gängliche, Ewige, Unſterbliche reicht bis an den Himmel. Wir haben hier\ ſchon den Gegenſatz zwiſchen Körper und Geiſt, Materialismus und Idealismus, wie er von Goethe ſo herrlich im Fauſt dargeſtellt wird. Zwei Seelen wohnen ach in meiner Bruſt, Die eine will ſich von der andern trennen, Die eine hält in derber Lebensluſt Sich an die Welt mit klammernden Organen, ö Die andere hebt gewaltſam ſich von Duft| Zu den Gefilden hoher Ahnen. | Mit demSich baden in der Fluth find die ſinnlichen Zerſtreuungen und Vergnügungen gemeint, allein eine Stimme d. h. das beſſere, edlere Gefühl im Menſchen macht warnend auf die große Gefahr aufmerkſam, | denndie Fluth iſt reißend d. h. die einmal entfeſſelte Flamme der

Leidenſchaft wird nicht ſobald gelöſcht und treibt den ſich ihr unterwerfen­| den Menſchen immer tiefer in den Pfuhl des Verderbens und Laſters hinein(B. Bathra 73a Vergl. auch Sachs über dieſe Stelle. Predigten

IT, 368). 2) Einen ähnlichen Sinn hat folgende Allegorie. Eine Welle, die

das Schiff mit Untergang bedroht, hat oben einen fenerigen, weißlichen Streifen; man kann ihr Brauſen hemmen, wenn man auf ſie mit einem

| Stocke ſchlägt, auf dem die Worte eingeſchnitten find: Ich bin das ewige 1 Weſen, Gott der Heerſchaaren(Kidduſchin 32) d. h. die heiße Gluth der A| Begierden, das verzehrende Feuer der Leidenſchaft bedroht das Lebens­

ſchiff mit Untergang, allein durch den Gedanken an Gott kann das Schiff vom Scheitern, der Menſch vom moraliſchen Untergange gerettet werden.

3) Als Noah den Weinberg pflanzte, da begegnete ihm ein Satan und ſprach: Ich will dein Geſellſchafter ſein, aber hüte dich, daß du mein Terrain nicht betreteſt, denn, ſobald dies geſchieht, bin ich dein Verderber, (Gen. r. 36) d. h. äußerſt eng und ſchmal iſt die Grenze zwiſchen er­laubtem Genuß und ſündiger Ausſchweifung, und, ſobald einmal die Grenze überſchritten wird, nimmt das Verhängniß ſeinen Weg.

4) Rabbi Bar bar Chana erzählte: Wir reiſten einſt zu Schiffe, da ſahen wir einen großen Fiſch, dem ein kleines Thierchen in die Naſe kroch und ſo den Tod brachte, das Meer warf den Leichnam aus, der in ſeinem z| Sturze 60 Städte zerſtörte, andere 60 Städte nährten ſich von feinem I| Fleiſche(B. Bathra 73). Der Sinn iſt wohl, daß der kleinſte Feind ge