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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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V. 16.An ihren Früchten werdet ihr fie erkennen. Im Talmud, An den Kürbisſtengel erkennt man den Baum(Ber. 48).

V. 17.Ein guter Baum bringt gute Früchte. Aehnlich leſen wir:Womit iſt der zu vergleichen, der mehr Weisheit, als gute Hand­lungen hat? Einem Baume, der viele Aeſte, aber wenig Wurzeln hat, entſteht ein Sturm, ſo reißt er ihn aus und wirft ihn um; derjenige aber, der mehr gute Thaten als Weisheit beſitzt, gleicht einem Baume, der weniger Aeſte, aber mehr Wurzeln beſitzt, und den alle Stürme der Welt nicht von der Stelle zu reißen vermögen. Von ihm ſagt die Schrift: Er wird einem in Waſſer gepflanzten Baume gleichen, der ſeine Wurzeln in feuchtem Boden verbreitet, und nichts empfindet, wenn es heiß iſt. Sein Blatt iſt immer grün und hört nicht auf, Früchte zu tragen(Abot 3).

Nach dieſen Proben talmudiſcher Ethik wird es klar ſein, daß jeder Verſuch, die Sittenlehre des Talmud zn diskreditiren, ein Unrecht invol­virt. Von dem bereits erwähnten R. Meir wird berichtet, daß er, ob­wohl ein Schüler des Apoſtaten Eliſa b. Abuja, trotzdem fromm geblieben ſei, denn, erzählt der Talmud, er nur die gute Frucht, warf aber die Schale weg. So halten wir es mit dem Talmud, das Gute in ihm ſchätzen das Schlechte verwerfen wir. Zum Schluß etwas Päda gogiſches:

Die Welt beſteht nur durch den Hauch lernender Schüler.Man muß ſeinem Sohne einen Lehrer miethen, wozu die Anmerkung des R. Moſes Iſſerles hinzufügt, man zwinge den Vater dazu, wenn er's nicht gutwillig thut(alſo gewiſſermaßen Schulzwang).Eine Stadt ohne Jugendlehrer lege man fo lange in Bann, bis fie Lehrer anſtellt.! Mit Ausnahme der Vorabende des Sabbaths und Feſttags darf der Schul­unterricht nicht ausgeſetzt werden, ſelbſt nicht um des Tempelbaues willen. Auf einen Lehrer kommen 25 Schüler, bei 40 Schülern kommt ein Hilfs­lehrer und bei 50 müſſen zwei Lehrer fein(Baba Bathra 21a),der Lehrer muß mit dem Lehrſtoff vollkommen vertraut fein und in die Be handlungsweiſe deſſelben eindringen(id.).Die Ehrfurcht vor dem Lehrer gleiche der Ehrfurcht vor Gott(Abot).Achtet wohl auf die Kinder der Armen, denn von dieſen pflegt die Lehre zu kommen(Neda rim 81a) ebenſoauf Kinder unwiſſender Eltern, weil dieſe ſich beſonders fürs Studium eignen(Sanhedrin 96).Jeruſalem iſt nur infolge der Vernachläſſigung der Schulen zerſtört worden(Schabb. 119). Jetzt ver­ſtehen wir, warum blinde Zeloten gegen Errichtung von Schulen in Jeruſalem fanatiſch eifern, fie fürchten wahrſcheinlich Lahmlegung ihres

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