Heft 
(1955) 5
Seite
139
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1. Die Vernichtung der Naziideologie, Kampf gegen alle reaktionären, militaristischen Auffassungen,

2. Bildung einer nationalen Einheitsfront der deutschen Geistesarbeiter und Schaffung einer unverbrüchlichen Einheit der Intelligenz mit dem Volk.

3. Förderung der freiheitlichen, humanistischen, wahrhaft nationalen Traditionen unsers Volkes usw.

Im Osten unseres Vaterlandes war man sich der Tatsache bewußt, daß man sich beim Wiederaufbau unseres Staates neuer Kräfte bedienen müsse, daß die Arbeiterklasse und die werktätigen Bauern diesen Staat zu tragen haben. Wer noch zweifelte, daß diesen Kräften auch auf kulturellem Gebiet der Vorrang gebührte, daß nur dort Zukunftträchtiges geschaffen werden könnte, wo das Werk dem natürlichen Empfinden des Volkes entspricht und von ihm geformt wird, dem mochten durch Thomas MannsDoktor Faustus die Augen geöffnet werden. Wie der volksfremde, rein ästhetisch ein- gestelle Künstler der spätbürgerlichen Epoche der Infiltration des Barba­rischen keinen Widerstand zu leisten vermag, ja, wie sich Ästhetizismus und Barbarei wechselseitig bedingen, das weiß Thomas Mann deswegen so sinnfällig zu machen, weil er zeigt, wie sich dieser Vorgang der Entmensch­lichung in der geheimnisvoll tiefsten Schicht des menschlichen Wesens, in der musikalischen, abspielt. Das Wissen um die Fragwürdigkeit der schöpfe­rischen Potenzen im bürgerlichen Lager und um die Bedeutung, die der Arbeiterklasse und den werktätigen Bauern als Kulturträgern zukommt, gab uns auch die Sicherheit in der Beurteilung undWertung unserer Vergangen­heit, und so konnte uns der Kulturbund die Richtlinien geben, nach denen wir unser deutsches humanistisches Erbe sichten konnten. Wir brauchten nicht denFaust zu verwerfen. Denn Faust, der wohl der Unmenschlich­keit seiner feudalkapitalistischen Umwelt verfällt, sieht am Ende seines Lebens, unversehrt in seinem Kern, die freie Menschheit auf freiem Grunde. Was bei Goethe noch poetische Utopie, wollen wir weute in die Wirklichkeit umsetzen. Der Kulturbund hat in den 10 Jahren seines Bestehens seinen Teil daran.

Unter der Präsidentschaft Johannes R. Bechers ist der Kulturbund in der Deutschen Demokratischen Republik seinen alten Leitsätzen treu geblieben, auch wenn sich seine Aufgaben mannigfaltig gewandelt haben.Er kämpft, wie es in den Grundaufgaben vom Februar 1954 heißt,dafür, das ganze Deutschland zu einem einheitlichen, friedliebenden, demokratischen und unabhängigen Staat neu zu gestalten und dabei die Lehren der Geschichte anzuwenden. In diesem Geiste bekennt sich der Kulturbund zur Unteil­barkeit der demokratischen deutschen Kultur. Möge ihm und unserm ganzen deutschen Volk in nächster Zeit der Erfolg seiner unermüdlichen Arbeit beschieden sein.