Heft 
(1955) 6
Seite
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EWALD KOCH

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Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, der froh von ihren Taten, ihrer Größe den Hörer unterhält und, still sich freuend, ans Ende dieser schönen Reihe sich geschlossen sieht! . . .

Goethe lnIphigenie auf Tauris"

Im Zwielicht der Geschichte

Breit zieht der Strom der Elbe durch die Prignitz, gebändigt durch die Hand des Menschen. Seit undenklichen Zeiten fließen ihre Wasser der Nordsee zu. Aus dem breiten Urstromtal zwangen die natürliche Entwick­lung und der Mensch den Fluß in sein geordnetes Bett, und heute stehen wir auf den Dünen und schauen in die Flußniederung hinaus, die belebt ist vom modernen Verkehr. Kühn schwingen sich die stählernen Bogen der Brücke über den Strom, den in Vorzeiten nach der Sage der Fährmann Hildebrandt mit seinem Nachen überquerte, um Krieger und Handelsleute über den Strom zu setzen. Eines Tages fand man ihn, so wird erzählt, von Feinden erschlagen, am Ufer. Heute verbinden moderne Brücken die Prig­nitz mit dem Sachsenland. Motorkähne und rauchende Dampfer ziehen ihre Bahn stromauf, stromab. Feste Deiche schützen das Land, und nur zuweilen tritt das Wasser über die Ufer und verwüstet Felder und Wiesen. Sandige Dünenwege waren es, über die knarrend und schwerfällig die Ochsenkarren wilder Heerhaufen dem Strome zu zogen, Handelsleute mit ihren Planwagen, die Siedlungen am Strom mit Waren und Waffen ver­sorgten. Aber nur undeutlich hebt sich die Vergangenheit vor unserem Auge ab, und nur wenige Zeugnisse sind aus aus jener frühesten Zeit geblieben.

Nur an den Feuerstätten unserer Vorväter gingen die Geschichten und Sagen um, die uns bis heute erhalten sind und die berichten von einer starken Feste Wittenberge und dem adligen Fräulein Kunigunde, das sich einem Ritter anverlobte. Der zog aus nach Ritterart zu einem Kreuzzug und kehrte lange Zeit nicht heim. Die Braut aber stand indes am Söller und schaute sehnsüchtig ins Land hinein, und das Bild ihres Verlöbten wurde im unerfüllten Warten immer blasser. Wie es so geht, schenkte sie Herz und Hand einem anderen Ritter, der um sie warb mit Liedern und Worten. Doch als sich die Gesellscnaft zur Hochzeit rüstete, kehrte der

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