OTTO BLEICH
Lehrjahre gestern und heute
Viele von Ihnen, liebe Leser, sind sicher selbst Facharbeiter oder Handarbeiter; vielleicht haben Sie Ihre Lehrzeit schon lange hinter sich. Aber an dieses oder jenes Ereignis erinnern Sie sich wahrscheinlich noch recht deutlich.
Wittenberge ist ja schon seit längerer Zeit eine Stadt mit vorwiegend industriellem Charakter. Der größte Volkseigene Betrieb der DDR, die Deutsche Reichsbahn, mit ihren vielfältigen Dienstzweigen hat auch unserer Stadt ein bestimmtes Gepräge verliehen. Über einen dieser Zweige — einen alten und gleichzeitig auch sehr jungen Zweig — will ich Ihnen heute ein wenig berichten.
Es ist sicher jedem Wittenberger bekannt, daß in der Hartwigstraße — an der Stelle, wo der „Schwarzwald“ wächst — die Betriebsberufsschule des Reichsbahnausbesserungswerkes steht. Vielen wird bestimmt auch das in jüngster Zeit entstandene Gebäude zwischen dieser Schule und der Unterführung am sogenannten „Schwarzen Weg“ aufgefallen sein. Es wird auch schon allgemein bekannt sein, daß in diesem Gebäude mit dem 1. September 1955 das neue Wohnheim für die auswärtigen Lehrlinge des RAW Wittenberge in Betrieb genommen wurde; aber eine rechte Vorstellung über diese ganze Einrichtung wird doch vielen fehlen.
Gesetze unserer Deutschen Demokratischen Republik sehen vor, daß jedem Jugendlichen die Möglichkeit einer ordentlichen Berufsausbildung gegeben sein muß. So werden z. B. auch im RAW Wittenberge Betriebs- und Lok- schlosser sowie Tischler tmd Elektriker ausgebildet.
Ausbilden heißt in unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat nicht nur, vertraut machen mit Handgriffen der praktischen Berufsarbeit, sondern auch vermitteln eines umfassenden und gediegenen Berufswissens und einer eben so umfassenden Allgemeinbildung.
Das RAW besaß zwar schon seit 1922 eine Werkschule. Die steigende Anzahl der auszubildenden Lehrlinge erforderte jedoch Maßnahmen baulicher Art, die in dieser Richtung die Voraussetzung für die geordnete Berufsausbildung schaffen mußten.
So wurde denn zunächst nach dem zweiten Weltkrieg der Schulbetrieb in einem Raum innerhalb des Werkes aufgenommen. Im Laufe der Jahre kamen dann noch zwei Räume dazu. Alle lagen verstreut im Werk. Lange Wegezeiten bei Lehrerwechsel nach Schluß einer Unterrichtsstunde ent-
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