Heft 
(1956) 10
Seite
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GERHARD KELLERMANN, PRITZWALK

Die Industriealisierung der Tuchproduktion in Pritzwalk

Im Jahre 1780 war die Bevölkerung der Stadt Pritzwalk auf 1627 Ein­wohner angewachsen. Die Ergebnisse der handwerklichen Produktion reichten nicht mehr aus, um die ständig st.eigenden Bedürfnisse in der Gesellschaft zu befriedigen, obwohl unter den Einwohnern der Stadt 72 Tuchmacher und 20 Leineweber ihre Arbeit verrichteten.

Die im Jahre 1778 entwickelte Dampfmaschine ermöglichte die maschinelle Produktion auf breitester Grundlage und eröffnete der kapitalistischen Industrieproduktion große Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Firma der Gebrüder Draeger in Pritzwalk, die zu den bekanntesten Tuchmachern der Stadt gehörte, vergrößerte im Jahre 1851 den Betrieb in der ehemaligen Schützenstraße 24, heute Thomas-Müntzer- Straße 25 und 26, und stellte den Betrieb, der bis dahin mit der Hand bzw. mit dem Göpel angetrieben wurde, auf die neue Technik um. Der Betrieb erhielt eine 4-PS-Niederdruckdampfmaschine.

Diese erste Dampfmaschine in Pritzwalk kündigte der Manufaktur das Ende an und war der Beginn der kapitalistischen Produktion in Pritzwalk. Als trotz dieser Betriebserweiterung die vorhandenen Räume zu eng wurden, erwarben die Gebr. Draeger das Grundstück des Tischlermeisters Carl Schröder am Meyenburger Tor. Dieser am 29. Mai 1858 erfolgte Umzug, die vorhandene Dampfmaschine sowie ein neuer Kessel ermöglichten eine weitere Steigerung der Produktion, die durch die Ausbeutung der im Betrieb beschäftigten Arbeiter so reichen Profit brachte, daß im Jahre 1866 die ersten mechanischen Webstühle aufgestellt und die alte Dampfmaschine durch eine neue mit 40 PS ersetzt werden konnte. Nunmehr waren die Ge­brüder Draeger in die Lage versetzt, die weitere Entwicklung der Tuch­industrie in Pritzwalk entscheidend zu beeinflussen und allen anderen Konkurrenten ihren Willen zu diktieren.

Die hauptsächlichsten Konkurrenten der Gebrüder Draeger waren die Firmen Oelgart, Gelau, Düfel, Gebrüder Rensch und die Gebrüder Abel! Zwischen diesen Firmen und der Firma Draeger tobte ein unerbittlicher Konkurrenzkampf um die Vormachtstellung. Im Verlaufe dieses Kampfes gelang es den Gebrüdern Draeger, ihren Vorsprung so zu festigen, daß es ihnen möglich war, alle Konkurrenten niederzuringen. Die Firma Rensch wurde im Jahre 1881 durch einen Brand, der den Betrieb das zweite Mal vernichtete, gezwungen, ihre Pforten zu schließen. Wenige Jahre später konnte die Firma Abel dem großen Konkurrenten ebenfalls nicht mehr die Stirn bieten und stellte den Betrieb ein. Der Betrieb Oelgart wurde in der

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