ULRICH KOMM, SPIEGELHAGEN
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Als ich im Sommer 1955 — wenige Tage vor dem IV. Parteitag der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands — das Kreissekretariat der DBD in Perleberg betrat, stand dort auf einem Tisch eine kaum melkeimergroße Bronzeglocke, und die Kollegen berieten über Form und Inhalt eines Begleitschreibens, denn diese Glocke sollten die Delegierten unseres Kreises zum Parteitag mitnehmen. Ich schlug vor, die wichtigsten Daten aus der Geschichte der Glocke auf eine Metallplatte gravieren zu lassen. Und so geschah es denn auch.
Welche Bewandtnis es mit der Glocke hat und welchen von den Bauern gewünschten Weg sie dann nahm, darüber lassen Sie mich Hermann Turowski in „Die Weltbühne“ vom 25. Januar 1956 zitieren, denn ich glaube, daß die Wirkung auf einen Unbefangenen mehr sagt als das Wort eines unmittelbar Beteiligten:
„Berlin ist gegenwärtig gewiß nicht arm an interessanten Ausstellungen, aber die bemerkenswerteste und, für unser Gefühl, sogar schönste Ausstellung ist seit dem 3. Januar im Museum für deutsche Zeitgeschichte zu sehen. Dort sind Tausende von großen und kleinen Geschenken gesammelt, die Wilhelm Pieck, dem Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, an seinem achtzigsten Geburtstag überreicht worden waren.“ Hermann Turowski führt den Leser dann durch diese Ausstellung und schließlich auch vor unsere Glocke:
„Wie vom Zufall geführt, entdecken wir in einer der Nischen eine mittelgroße Glocke aus Bronze. Ein winziges Messingschild darunter verkündet ein großes Stück unserer Geschichte; es ist die Glocke aus dem Herrenhausturm des Rittergutes Muggerkuhl im Kreis Perleberg, die seit 1851, also fast hundert Jahre lang, Generationen von Landarbeitern täglich zur schweren Fronarbeit für den feudalen Grundbesitzer rief. Einem solchen Leben in Not und Elend, zum größten Teil unter der Peitsche der unmenschlichen Gesindeordnung Preußens, machte die demokratische Bodenreform ein Ende. Zum letzten Male schlug diese Glocke am 3. September 1945; es war die kräftige Hand eines Neubauern, der die ehemaligen Gutsarbeiter zur Verteilung des Bodens zusammenrief und damit eine der großen geschichtlichen Taten einläutete, für deren endliche Verwirklichung auch Wilhelm Pieck ein Leben hindurch gekämpft hatte.- Die früheren Sklaven des Gutes Muggerkuhl, heute freie Bauern auf freiem Lande, schickten ihm diese Glocke: ein wahrhaft historisches Geschenk und eine symbolische Erinnerung zugleich!“
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