Vaters bis heute, also etwa 65 Jahre, beibehalten und viel Geld in die Luft geblasen. Aber ich fürchte, ich hätte es als Nichtraucher doch nicht zu einem Rittergut gebracht. Der Garten hat mir aber als kleinem Jungen zu meinem ersten selbstverdienten Gelde verholfen, indem mein Großvater mir für jeden erlegten Kohlweißling einen Pfennig bezahlte. Es läßt sich denken, daß ich diese Schädlingsbekämpfung mit Eifer und Erfolg betrieben habe. Ging man die Hagenpromenade weiter, so kam man bald an die Bäckerstraße, die Hauptgeschäftsstraße der Stadt, und dort sogleich zu der Stadtmühle. Im Hause meines Großvaters wohnte lange Jahre der Allerweltsonkel Wenzel, zu dem schon meine Mutter Onkel sagte. Und dieser Onkel Wenzel war der Pächter der Mühle. Infolgedessen durfte ich mich oft dort herumtreiben, das Mühlengetriebe beobachten und, was das schönste war, den eigentlich für Korn- und Mehlsäcke bestimmten Fahrstuhl benutzen und auf ihm bis in das Dachgeschoß und wieder hinunter fahren. Onkel Wenzel war auch der Pächter der etwa eine Viertelstunde oberhalb der Stadt am Flusse liegenden Neuen Mühle, in der ich infolgedessen auch so ein bißchen Hausrecht hatte. Ich war oft dort. Jetzt ist sie schon lange keine Mühle mehr, sondern, wie ich höre, in ein hübsches und gern besuchtes Kaffeehaus umgewandelt.
Um noch bei den Mühlen zu bleiben: Damals gab es, wie wohl überall in Norddeutschland, so auch bei Perleberg noch Windmühlen. Schon vor der Einfahrt des von Wittenberge kommenden Zuges in den Perleberger Bahnhof sah man links deren drei stehen, und eine weitere stand an der Berliner Chaussee vor dem Dorfe Düpow, wohin ich oft gewandert bin. Auch ging es da von der Chaussee ab oft nach Spiegelhagen. An diesem Wege stand an einer Stelle ein Sauerkirschenbaum, dessen Früchte im Juli in bester Reife standen. Ich habe nie versäumt, im Vorbeigehen einige der schönen Kirschen zu mausen und zu schmausen. Ich hoffe, daß dieser Feldfrevel inzwischen verjährt ist. Von da wanderten wir zur Neuen Mühle und an der Stepenitz entlang nach Perleberg zurück. Auf den sumpfigen Uferwiesen wuchs reichlich das schöne Sumpfherzblatt, dessen zierliche weiße Blüten auf dem hohen einblättrigen Stengel mich immer erfreuten.
Auf der ahderen Seite des Flusses bin ich oft nach den Weinbergen gewandert, diesen Randhügeln eines alten Urstromtales mit schöner Sandflora, wo ich auch immer nach alten, merkwürdig gebildeten Steinformen gesucht habe. Weinberge hießen sie, weil dort früher, vermutlich auch aus sakralen Gründen, Wein gebaut wurde. Heute zum Glück nicht mehr, denn die Sorte wäre wohl so ähnlich gewesen, wie die berüchtigte Bomster Auslese, jedenfalls nicht so gut wie der, den der immer zu Scherzen aufgelegte Onkel Wenzel einmal in vorgerückter Stunde seinen Gästen als einen besonders feinen Südwein mit dem Etikett „Perlemont“ vorsetzte. Es soll ziemlich lange gedauert haben, bis einer der Herren dahinter kam, daß Perlemont ja eigentlich auf gut deutsch Perleberg heißt, und daß die
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