Heft 
(1957) 1
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DR. WEGENER. KYRITZ

Die Kyritzer Ratsbibel

Die Stadt Kyritz besitzt eine plattdeutsche Bibel, die fast 500 Jahre alt ist. Es gibt oder gab (vor 1945) in ganz Deutschland nur etwa zehn Exemplare dieser kostbaren Bibel: in Berlin, Wernigerode, Lüneburg, Rostock, Ham­burg, Nürnberg, Straßburg, Stuttgart und Düsseldorf.

Luther, dessen Neues Testament im September 1522, dessen ganze Bibel 1534 erschien, war durchaus nicht der erste, der die B;bel ins Deutsche übertragen hat. Bald nach Erfindung des Buchdrucks um 1450, also im spätgotischen Jahrhundert, wurde die Bibel zuerst in lateinischer, dann in deutscher Sprache gedruckt. Der erste hochdeutsche Druek erschien in Straßburg 1466, wir besitzen aus dem Mittelalter über 200 Handschriften von deutschen Bibelübersetzungen. Bis 1518 sind uns 14 hochdeutsche und drei verschiedene plattdeutsche Bibeldrucke bekannt.

Wir kennen die Übersetzer dieser deutschen Bibeln nicht. Anscheinend stammen die ersten aus dem böhmischen Kreis. Alle gehn auf die latei­nische Bibel zurück, denn man vermochte damals weder das hebräische Alte noch das griechische Neue Testament aus dem Urtext zu übersetzen. Die Kyritzer Bibel, die kein Titelblatt hat, ist 1478 also fünf Jahre vor Luthers Geburt - in Köln bei dem Buchdrucker Quentel erschienen. Quentel hat als geschäftstüchtiger Mann gleich zwei verschiedene Ausgaben gedruckt: eine in westniederdeutschem, dem holländischen nahestehendem Dialekt, die andere in niedersächsischer Sprache. Köln hatte sowohl rhein- abwärts Handelsbeziehungen nach Brabant, Flandern und Holland wie ins Gebiet der Hanse nach Hamburg, Lübeck, Wismar und Rostock. Diese niederdeutsche Bibel wird für einen hohen Preis in Lübeck oder Rostock gekauft worden sein, Kyritz war Hansestadt.

Schwer verständliche Stellen der Bibel sind in dieser Ausgabe erläutert durch kurze Einschiebungen, welche durch einen Anfangsslern und einen Schlußhaken kenntlich gemacht werden. Diese Einschiebsel nicht die Bibelübersetzung selbst sind entnommen der lateinischen Bibelerklä­rung des Franziskaners Nikolaus de Lyra, welcher um 1270 in der Nor­mandie geboren ist. Nikolaus de Lyra hielt sich an den genauen Wortsinn, noch Luther hat ihn gern benutzt.

Schlägt man die Kyritzer Bibel auf, so ist man entzückt über den tief­schwarzen klaren Schriftsatz, der sich 500 Jahre gehalten hat, wie über die

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